Krümels-Bücherwelt ...

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Erpenbeck, Jenny - Heimsuchung




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Erpenbeck, Jenny - Heimsuchung

Beitragvon Krümel » 04.02.2008, 12:08

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Das 20. Jh. im Zeitraffer gefasst.

Im Prolog beginnt Erpenbeck mit einer Zusammenfassung des Protagonisten, eines Seeufers östlich von Berlin. Vor vierundzwanzigtausend Jahren war das Land dort eine Eisfläche, später ein Gletschergebiet, dessen Eis mit der Zeit schmolz, woraus dann diese Seenplatte mit Hügellandschaft entstand.

Zu Beginn des 20. Jh. wird dieses Ufergrundstück in Parzellen aufgeteilt, verkauft, und bebaut. Die einzelnen Eigentümer stellen sich dem Leser vor, und zwischendurch taucht immer wieder der Gärtner auf, der der Handlung treu bleibt. Er verbindet quasi die einzelnen Schicksale.
Die Menschen am See durchleben das Kaiserreich, die Weimarer Republik, die Nazizeit, den Krieg, die DDR und den Mauerfall. Aber es sind außer dem Gärtner jeweils andere Figuren, manche sterben, andere werden vertrieben, einige kehren wieder. Die Grundstücke am See werden teilweise zur Pacht vom Gemeingut erworben, um dann arg umstritten zu werden wem welche Rechte und Besitzansprüche zugewiesen werden können.

Die Idee einen Ort als Protagonisten auftreten zu lassen, ist nicht neu. (“Die Brücke über die Drina” Ivo Andric, “Im April” Christina Viragh u.a.) Dennoch war ich von diesem Episodenroman sehr angetan, hält er doch in sachlich nüchterner Sprache, manchmal zynisch gespickt, das vergangene deutsche Jahrhundert fest. Ein Zeitzeugnis für kommende Generationen.

Für mich ganz persönlich kamen die einzelnen Schicksale zu kurz, sie sind lediglich angerissen. Aber das ist ein subjektives Empfinden als Liebhaber der Wälzer und Tiefe.

Der Roman ist nicht einfach zu lesen, man sollte sich - und das verdient er auch - eine Weile mit ihm beschäftigen. Denn er beinhaltet unsere Zeitgeschichte, zusammengerafft und wirkungsvoll transportiert.

Eichborn-Verlag, 2008, Hardcover 17,95 €, 191 Seiten, ISBN: 978-3-8218-5773-2

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von Anzeige » 04.02.2008, 12:08

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Beitragvon Nerolaan » 30.07.2008, 19:24

Ein melancholisches Geschichtsbuch...

Ein Haus an einem märkischen See: hier findet die Geschichte eines ganzen Jahrhunderts in Deutschland statt.
Angefangen von der Weimarer Republik bis zur DDR.
In dieser Zeit wohnen verschiedene Personen in dem Haus am See und erleben alle ihre eigene Geschichten.

Jenny Erpenbeck entführt den Leser in ihrem vierten Roman Heimsuchung in eine Welt, die sich vollkommen auf das Haus am See konzentriert.
Sie erzählt Episodenhaft die Lebensgeschichten von unterschiedlichen Personen, die alle durch das Haus verbunden zu sein schein.
Dabei verleiht Erpenbeck jeder Person nicht nur ihr eigenes Schicksal, sondern auch eine eigene Form.
Getragen werden die Geschichte durch eine unglaubliche Sprachgewalt und eine dichte Atmosphäre, die den Leser förmlich in das Buch hineinziehen. Man verspürt einen Drang unbedingt weiterlesen zu wollen, weil man so schnell wie möglich erfahren möchte, wie es den anderen Menschen ergangen ist.

Dieses Buch lässt mich sprachlos zurück und hat den Wunsch geweckt, durchaus auch die anderen Werke der Autorin zu lesen.

Dieses Buch ist eine kleine Perle auf dem vollen Büchermarkt.
Man sollte sich zeitnehmen es zu lesen und auf sich wirken zu lassen, denn konzentrierter und wirkungsvoller wird einem die Geschichte des 20. Jahrhunderts wohl nicht mehr präsentiert werden!

:stern: :stern: :stern: :stern: / :stern:
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Beitragvon Karthause » 30.07.2008, 19:55

Die Gegend, in der die Handlung angesiedelt ist kenne ich sehr gut und ich bin auch öfter mal dort. Das ist bei mir praktisch nur um die Ecke. Ich glaube, ich sollte dieses Buch auch lesen. Denn beim Googlen fand ich heraus, dass Jenny Erpenbeck ja die Enkelin von Hedda Zinner, meiner Lieblingsautorin aus alten Zeiten, ist. Ich sollte mich vielleicht doch mal mehr für Tratsch und Klatsch interessieren, dann würde ich bei solchen Entdeckungen nicht so überrascht sein.

Ich habe mal gesucht und gefunden, hier ist ein Link, wenn ihr bis nach unten scrollt, dann seht ihr das Haus der Zinner/Erpenbecks.
Viele Grüße
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Beitragvon Nerolaan » 30.07.2008, 19:59

Danke für den Link, Karthause!
Ich habe mir das Hause aber irgendwie...mhm, anders vorgestellt..


Ich mag zwar nicht zu Vorlaut sein, aber ich denke, dass Krümel auch dir das Buch sicherlich leihen würde, wenn du es lesen magst?!
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Beitragvon Krümel » 30.07.2008, 21:04

Nerolaan hat geschrieben:Ich mag zwar nicht zu Vorlaut sein, aber ich denke, dass Krümel auch dir das Buch sicherlich leihen würde, wenn du es lesen magst?!


Aber freilie. Ist doch ein Geschenk vom Verlag, das können alle Krümels lesen :wink:
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Beitragvon Karthause » 31.07.2008, 06:20

Danke, Krümel. Aber am 12. Oktober ist eine Lesung in Diensdorf, da werde ich hinfahren und kann sicher das Buch dort bekommen.
Viele Grüße
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Beitragvon wolves » 31.07.2008, 07:31

:lol: Jetzt weiß ich wieder, wieso sich das Buch auf meiner Amazon-Wunschliste befindet. Ui da hab ich aber ein schlechtes Gedächtnis gehabt.

@Karthause: Danke für den Link. Das ist jetzt etwas OT, aber was ich auf den Fotos sehe gefällt mir sehr gut. Da könnte ich mir auch vorstellen Urlaub zu machen.
Liebe Grüße
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