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Lenz, Siegfried – Die Klangprobe




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Lenz, Siegfried – Die Klangprobe

Beitragvon tom » 08.01.2009, 18:06

(1990, dtsch)

ZUM INHALT: Jan Bode, stellungsloser Pädagoge und derzeit Warenhausdetektiv, läßt keinen Blick vom Bildschirm. Fasziniert folgt er der jungen Frau von Regal zu Regal – und als sie ein Stangenweißbrot unter ihrem Parka verschwinden läßt, weiß er längst, daß er sie nicht als Diebin entlarven wird, denn jeden dritten Ertappten lässt er davonkommen. Sie heißt Lone, wie sich herausstellt, ist Übersetzerin und kümmert sich rührend um ihren verwaisten Neffen. Der kleine Fritz wird im Leben der Steinmetz- und Bildhauerfamilie Bode bald eine zentrale Rolle spielen.
Ehe der Bildhauer oder Steinmetz sein Material, den Stein, bearbeitet, unterzieht er ihn einer Klangprobe: Durch den Nachklang erfährt er, ob der Block Fehler, Hohlräume, Risse oder Einsprengungen aufweist. Siegfried Lenz, unterwirft auch die verschiedenen Personen seines Roman einer „Klangprobe“: Er konfrontiert sie mit dem Phänomen des Zerfalls. Indem er die Geschichte des Steinmetz Hans Bode und seiner Familie erzählt, zeigt er die Vergänglichkeit unserer Welt auf.
(Quellen: Produktbeschreibung, Klappentext)

BEMERKUNGEN: Wie viele dieser Erzählungen, Romane uns Siegfried Lenz nun schon vorgelegt hat! Doch welche immer wieder neuen Weisen er findet, um vom Menschen zu sprechen: wenn es hier einerseits um die Qualität, Bestand oder Zerfall, von Steinen gehen mag, so umgesetzt auch um das wahre Sein des/eines Menschen. So wie der scheinbare feste Stein der Vergänglichkeit unterliegt, so liegt hinter dem ersten Anschein einer diebischen Lone eine feine Frau, und hinter dem holprigen, etwas tollpatschigen Ich-Erzähler ebenso, hinter dem grummelnden Vater eine zärtliche Seele etc.

1990, als fast 65-jähriger schreibt Lenz dieses Buch aus der Sicht eines circa 25 Jahre alten Hausdetektivs: Er schafft es, eine Art Sprachuniversum eines manchmal fluchenden, eher einfachen Mannes zu schaffen, könnte aber dabei den ein oder die andere durch die zu systematisch angewandten Redewendungen und Wiederholungen etwas verärgern. Dabei steht hinter dieser äußerlich manchmal „einfachen“, oft drolligen, lustigen Welt eine komplexere Story, die sich manchmal durch Andeutungen auszeichnet. Im Hintergrund steht da zum Beispiel der Selbstmord, einige Jahre zuvor, des älteren Bruders, der sich schriftstellerisch versuchte. Oder eine Hommage an den schwedischen Schriftsteller Stig Dagerman. Oder das Drama einer verspielten Beziehung. Wer genau hinsieht, findet plötzlich einige dieser kleinen Perlen: bescheidene Erkenntnisse, die nachdenklich machen.

:stern: :stern: :stern: :stern:

ZUM AUTOR: Siegfried Lenz wurde 1926 in Lyck/Ostpreußen geboren. Nach Kriegsdienst, Desertion und Kriegsgefangenschaft studierte er nach seiner Entlassung Philosophie, Anglistik und Literaturgeschichte an der Uni Hamburg. Nach Abbruch des Studiums arbeitete er zeitweise als Journalist und dann ab 1951 als freier Schriftsteller. Er gehörte zur „Gruppe 47“. (Weitere Informationen siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Siegfried_Lenz )

Taschenbuch: 331 Seiten
Verlag: Dtv; Auflage: 7., Aufl. (2003)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3423115882
ISBN-13: 978-3423115889

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tom
 

von Anzeige » 08.01.2009, 18:06

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Beitragvon Krümel » 08.01.2009, 18:41

Jeder Lenz ist etwas Besonderes, oder?
Nach und nach werde ich sie wohl auch alle lesen. Tom? Lesen wir "Die Auflehnung" gemeinsam?
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Beitragvon tom » 08.01.2009, 18:47

Krümel hat geschrieben:Jeder Lenz ist etwas Besonderes, oder?
Nach und nach werde ich sie wohl auch alle lesen. Tom? Lesen wir "Die Auflehnung" gemeinsam?


Ja, jeder Lenz hat was Eigenes! Ist schon toll, dass er sich das bewahren konnte!!!

Und: ja, wir könnten später "Die Auflehnung" gemeinsam lesen. Doch bis März läuft jetzt erst mal nichts...
tom
 

Beitragvon Krümel » 08.01.2009, 19:20

tom hat geschrieben:Und: ja, wir könnten später "Die Auflehnung" gemeinsam lesen. Doch bis März läuft jetzt erst mal nichts...


Gut dann behalten wir das im Hinterkopf :wink:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Lenz, Siegfried - Die Klangprobe

Beitragvon Krümel » 07.10.2010, 09:30

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Ungewöhnlich für diesen Autor!

Dieser Roman hat mein bisheriges Bild vom Autor umgeworfen. Hatte ich doch immer den Eindruck, dass Lenz in seinen Werken eine gewisse Thematik, einen roten Faden verfolgt, sei es nun in der Art „Pflichterfüllung“ oder halt die „Auflehnung“, begegnete mir hier eine lose Schilderung ohne festes Gerüst.

Jan ist Detektiv in einem Supermarkt. Aber so richtig bei der Sache, sprich dass er zu seinem Job und seiner Arbeit steht, ist er nicht. Denn er lässt jeden dritten Dieb laufen. So auch an dem Tag des Romanbeginns: Lone, eine gutaussehende junge Frau, betrachtet völlig gedankenlos viele Produkte, stellt sie allerdings alle wieder ins Regal, bis auf ein Brot und ein Glas Honig, diese Dinge lässt sie unter ihrem Mantel verschwinden und verlässt ein Einkaufsmarkt. Jan verfolgt Lone zwar, auch außerhalb des Marktes, aber aus anderen Gründen …

Daheim bei Jan; die Familie lebt in einer alten Schule mit riesigen, ehemaligen Klassenräumen, Zimmern und einem großen Innenhof; herrscht eine nüchterne bis trockene Atmosphäre. Sein Vater ist Bildhauer, er fertigt Grabmäler, dem Leser erscheint er wortkarg und stoffelig. Seine Mutter ist auch reichlich seltsam, man erfährt, dass sie gegen ihre Familie zum „Alten“, ihrem Mann gezogen ist und ihn geheiratet hat.

Lone zieht mit ihrem Ziehsohn Fritz in zwei der Klassenräume ein, die einst der verstorbene Reymund bewohnte …

Fritz ist sehr interessiert an Steinen, Marmor, am Handwerk des Steinmetzes und an der Kunst Figuren lebendig werden zu lassen … Und an der Klangprobe!

Ganz bewusst habe ich den Inhalt des Romans so zerstückelt beschrieben, weil Lenz dies ebenso macht. Hier ein Klecks, und dort ein Stückchen, ein grandioser Schluss, aber dennoch kein Ende.
Im Grunde, wenn man es genau nimmt, ist gar nichts erzählt oder fertig erzählt, nur in der Reflektion wird viel gedacht, vermittelt, aber keine Figur erhält letztendlich eine Geschichte. Auch kein Stein seine wahre Bestimmung …

Der Klappentext nennt es: „Vergänglichkeit – das heißt: nichts setzt sich fort, wie es war, und nichts bleibt wie es ist.“ Jeder nimmt etwas anderes mit, und dennoch hat mich diese Erzählung leicht und fließend getragen.

Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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