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Maron, Monika - Pawels Briefe




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Maron, Monika - Pawels Briefe

Beitragvon mombour » 17.04.2010, 10:06

Hallo,

Pawels Briefe

Es geht um das Vergessen und Erinnern. Es geht um den Großvater Pawel Iglarz, um die Großmutter Josefa und deren Kinder. Im Jahre 1994 stößt Monika Marons Mutter Hella zufällig auf einen Karton mit Briefen, die Pawel Iglarz aus dem Ghetto geschrieben hat, und Briefe seiner Kinder. Hella hat diese Briefe total vergessen, kann sich nie daran erinnern sie jemals gelesen zu haben. In Vergessenheit gegossen. Monika Maron hat für das Vergessen verschiedene Theorien. Erinnerungen könnten im Wandel des Lebens nicht überstehen „weil sie beim Erlernen eines neuen Lebens einfach störten.“ Totale Verdrängung. Gibt es etwas zu verbergen? Die alten Papiere im Karton können sich besser erinnern als Hellas Erinnerungsvermögen. Sie entdecke auch Briefe, „zwischen ihr und einer deutschen Behörde, in dem die damals vierundzwanzigjährige Helene Iglarz gegen ihre drohende Ausweisung nach Polen kämpfte.“

Paul Iglarz, der Großvater, geboren 1879 im polnischen Ostrow. Erst sieben Jahre später wird amtlich beglaubigt, dass das Kind den Namen Schloma trägt. Als Jude geboren, 1900 zum Baptisten konvertiert, weil er Jude gewesen, im polnischen Lager Vernichtungslager Kulmhof umgebracht. Davor ein Leben in Berlin. 1942 ins Ghetto Belchatow.

Pawel am 07.Mai, 1942 hat geschrieben:Es muß doch ein zu ungeheuerliches Verbrechen sein, jüdischer Abstammung zu sein....


Pawels Bruch mit seinen Eltern liegt im Dunkel des Vergessens. Warum – darüber hat der Großvater verschwiegen. So bleibt es im Urgrund der Vergessenheit. Der Bruch, so erzählt ein ponischer Rabbi der Autorin unseres Buches, musste zu einer Konvertierung führen, „weil er ohne eine Unterstützungsgemeinschaft nicht hätte überleben können.“ Zur Zeit des Urgroßvaters Juda Leib Sendrowitsch Iglarz leben zur Zeit der Jahrhundertwende in dem „öden Städtchen“, hundert Kilometer nordöstlich von Warschau 6000 Menschen, davon 3000 Juden. Heute lebt dort kein Jude mehr. Die Autorin besucht 1996 mit ihrer Mutter und ihrem Sohn diesen Ort. Da „kam es uns vor, als hätten wir einen trostloseren Ort nie gesehen.“ Ein Foto des Urgroßvaters gibt es noch. Sonst liegt alles im Schatten der Zeit.

An ihren Großvater kann sich Monika Maron nicht erinnern. Sie hat ihn nie gesehen. Ihre ersten Erinnerungen gehen auf das Jahr 1943 zurück, doch, wenn sie liest, wie Pawel in den Briefen über sie geschrieben hat, dann „verliert das Wort Vergangenheit für Minuten seinen Sinn.“

Wir blättern in einer Familiengeschichte im zwanzigsten Jahrhundert, eine Familie, die dunkle Schatten der Zeitgeschichte durchlebt und durchlitten hat. Das Buch geht bis in die Gegenwart der Autorin hinein. Das Leben in der DDR. Vor allem: Wie kann man, wenn man die Nazizeit durchlebt hat, sich dem DDR-Regime fügen? Fragen, die an die Substanz gehen, und es droht wieder ein Bruch in der Familie. Monika Maron ist eine Autorin, die den nachfolgenden Generationen noch was zu erzählen weiß, ihre Bücher hoffentlich weiterhin gelesen werden.

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Liebe Grüße
mombour
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von Anzeige » 17.04.2010, 10:06

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