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Möring, Marcel - Der nächtige Ort




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Möring, Marcel - Der nächtige Ort

Beitragvon Krümel » 06.08.2009, 20:07

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[center]Immer ist jetzt!

JETZT IST IMMER!

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Jacob Noah überlebt als Einziger seiner Familie den II. Weltkrieg. Ein Landwirt hat ihn aufgegriffen und gerettet als er von einem Aufenthalt in Amsterdam im Heimatsort Assen eintrifft. Drei Jahre hat er wie ein Maulwurf im Dreck, in der Erde gelebt, um dann mit einem gestohlenen Fahrrad zum Geschäft seiner Eltern zu radeln. Doch aus dem Schuhgeschäft wurde die „Völkische Buchhandlung Hilbrandts“ und als Johann die Waffe mit der er diesen Eindring aus seinem Elternhaus vertreibt, zum Schluss ins Wasser wirft, macht es nur eindruckslos „platsch“.

In Assen wird jedes Jahr im Juli ein Motorradrennen gefeiert. Wir befinden uns in den Achtzigern, und aus dem beschaulichen kleinen Ort wird ein riesiger Ameisenhaufen. Es wird gesoffen, gejohlt, randaliert und geprügelt. Entweder bleibt man Daheim und versperrt seine Tür, oder man lässt sich draußen von den Massen mittreiben.
Mittendrin befindet sich auch Jocob, der in einer Art von Delirium sein Leben revue-passieren lässt. Der „jüdischer Geist“, der Alte Jude oder wie bei Lewinsky „Melnitz“ begleitet ihn dabei.
Auch Marcus Kolpa befindet sich im Getümmel, er sucht die Worte, die er nach 10 Jahren endlich der Frau mitteilen möchte …, doch er findet beide nicht. Und so wird er von Kneipe zu Kneipe mitgerissen.

„Wo ist dein Ithaka?“

Möring erzählt sehr tief und eindringlich. Er stellt Fragen und Thesen auf, die einem tief bewegen und nachdenklich stimmen; er beschreibt tausend Einzelteile, nicht immer am roten Faden entlang gehen, und der Leser sollte sich darauf einlassen.

„Du bist mit Händen und Füßen an dich selber gebunden. Dein eigener Gefängniswächter. Dein eigener Teufel. Dein eigener Henker, dein eigenes Opfer.
Und das alles bist du nicht nur für dich, sondern auch für andere … „ (Seite 497)

Der Roman ist sehr modern, denn der Autor versteht es auch experimentell mit Worten und Formaten zu spielen. Er begibt sich damit auf neuen Wegen, um etwas auszudrücken, was man in Worte kaum fassen kann.
Das hat mich wirklich beeindruckt, so dass ich nach weiteren Mörings Ausschau halten werde. (Die Thematik ist aber wohl immer die gleiche.)

Marcel Möring wurde 1957 in Enschede geboren, wuchs in Assen auf und lebt heute in Rotterdam. Seine Werke wurden ausgezeichnet mit dem Geertja-Lubberhuizen-Preis, dem AKO-Preis, der „Goldenen Eule“ und dem Flämischen Literaturpreis. „Der nächtige Ort“ wurde 2007 mit dem Bordewijk-Preis zum besten niederländischen Roman des Jahres 2006 gekürt.

Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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