"Verborgene Schicksale", Kurzgeschichten
Verlag Volk und Welt, Berlin, 1977 (es gibt kein amazon-Bildchen)
Geschichten aus dem Land, in dem der heilige Mugumobaum wächst, wo volkstümlicher Aberglaube noch lebendig ist und auf das Christentum prallt, welches von den Kolonialherren ins Land gebracht wurde. Die Geschichten spielen vor dem Mau-Mau-Aufstand, vor dem Unabhängigkeitskrieg gegen die britische Kolonialherrschaft, eine jedoch nach dem Aufstand. „Warum hätte sie auf mich warten sollen? Und wie konnte ich glauben, daß sich bis zu meiner Rückkehr nichts ändern würde,“ sagt Kamau, der aus der Gefangenschaft heimkehrt. Der Mugumobaum ist den Menschen wohl heilig, weil er auch in großer Trockenheit gedeiht. Wenn die die Trockenheit aber so lange dauert, dass der heilige Baum darunter leidet, dann ist es ein Unheil, welches von Wetterpropheten und Medizinmännern vorausgesagt worden ist. „- denn es gibt in unserem Dorf noch immer welche, obwohl ihr Einfluß sich verringert hat.“ Das ist Kenia vor sechzig Jahren, ein Land im Wandel, trotzdem sind nicht alle Spuren von Magie versiegt. So wird der Medizinstudent Mangara, „der mit der europäischen Religion aufgewachsen und in europäischem Geist erzogen worden war,“ von einem Fluch verfolgt, der ihm den Tod einbringt.
Wenn ich über den unsäglich selbstgefälligen Snobismus europäischer Siedler lese, man könne sich so einen Hausboy nicht als Familienvater vorstellen, denke ich an Doris Lessings „Martha Quest". Dann gibt es die kämpfenden Boys, die ihre weiße Herrschaft beseitigen, an dieser Stelle mir der Überfall aus Coetzee's „Schande“ in Erinnerung fliegt. Der Hausboy Njoroge, der auf selbsterkenntliche Weise die Wut auf seine Herrin aus seinem Bauche fegt, muss sterben. Der gute Mensch als Märtyrer. Wir lesen auch von einer Frau in irgendeinem Dorf, die keine Kinder bekommt, deshalb von ihrem Mann geschlagen und verachtet wird....welch eine Schande...die Frau das Dorf verlässt.
Das alles und viel mehr sind Geschichten, ja, ganz bestimmt Ereignisse, die sich in Kenia im zwanzigsten Jahrhundert ereignet haben. Ngũgĩ wa Thiong’o zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern Ostafrikas. Diese Erzählungen sind ein kleiner Vorgeschmack auf das Werk dieses Schriftstellers. Menschen an der entscheidenen Schwelle ihres Dasein, danach wird ihr Leben ein anderes sein oder sie finden den Tod. Diese Geschichten berühren und prägen sich ein. Besonders erfreut bin ich, weil Ngũgĩ wa Thiong’o sehr lesefreundlich schreibt. In diesem Jahr erschien sein autobiografisches Werk „Träume in Zeiten des Krieges“ über seine Kindheit, welches ich auch noch besprechen werde. Ich schwärme jetzt gerne, habe noch zwei Romane im Stübchen.
Liebe Grüße
mombour