Krümels-Bücherwelt ...

... ein Literaturforum der anderen Art

Boyne, John - Der Junge im gestreiften Pyjama




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Beitragvon wolves » 27.09.2007, 09:21

@Alwin: Auch von mir ein Dankeschön für dein Teilen! Dein Bericht ging mir ganz schön an die Nieren.
Meine "Konfrontation" mit der Vergangenheit war zuerst ein Buch, "Das Tagebuch der Anne Frank". Ich war damals so alt beim lesen, wie Anne. Viele Bücher sind seit dieser Zeit gefolgt und einige Dokumentarfilme bzw. Spielfilme wie "Schindlers Liste". Ich wollte wissen, was da passiert ist. Ich wollte wissen warum Menschen so sein können. Letztere Frage läßt sich wohl nie ganz beantworten. Ich hatte sogar die naive Hoffnung, dass nie wieder so etwas schreckliches auf der Welt passiert. Ich glaube, ich brauche da wohl nicht näher darauf einzugehen, dass sich das nie erfüllt hat. :-(
Liebe Grüße
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von Anzeige » 27.09.2007, 09:21

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Beitragvon Pippilotta » 28.09.2007, 17:09

Das Buch hat mich heute in der Bibliothek förmlich angesprungen!
Bin allerdings auch in der Jugendbuchabteilung darüber gestolpert ... Altersempfehlung ab 13 :shock:
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon alwin03 » 29.09.2007, 09:21

Hab heut Morgen (gegen 4.00 Uhr) die letzten Zeilen gelesen.
Muss das Buch erst mal "sacken lassen" und mich dann an meine Rezi machen.
Soviel sei gesagt: einfach, geradlinig, bewegend!!!
Ich lese zur Zeit:

--------------------------------------- ???


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Beitragvon Pippilotta » 08.10.2007, 18:57

Nachdem ich jetzt ungefähr die Hälfte gelesen habe, hier meine ersten Eindrücke.

Gleich vorweg, mit Imre Kertesz kann man es überhaupt nicht vergleichen, das sind 2 Paar Schuhe.

Für mich handelt es sich eindeutig um ein Jugendbuch. Dafür sprechen die Aufmachung, Schriftbild, Schreibstil. Aber es ist sicher nicht für 9-jährige gedacht, ich denke da auch eher an 14- /15-jährige.
Hat es nicht auch einen Jugendbuch-Preis gewonnen?

Es liest sich sehr, sehr schnell, die Erzählweise hat etwas "Beiläufiges". Gerade das gefällt mir und es ist für mich eindringlicher und beklemmender als irgendwelche Schilderungen von Greuel, die ohnedies nicht in Worte zu fassen sind.

Warum sich der Autor Begriffen wie "Furor" und "Aus-Wisch" bedient, ist mir eigentlich auch unerklärlich. Als satirische Seitenhiebe sehe ich das aber nicht. Wie gesagt, ich habe eigentlich keine Erklärung dafür, ich finde diese Bezeichnungen überflüssig.
Herzliche Grüße
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Beitragvon Pippilotta » 11.10.2007, 18:55

Mittlerweile habe ich das Buch beendet.

Wie oben schon erwähnt halte ich es für Jugendliteratur. Da ich aber rein grundsätzlich Jugendliteratur nicht so gerne lesen, wird auch das Gesamtfazit nicht überwältigend ausfallen.

Ich finde, der Autor hat einen guten Weg gewählt, Jugendlichen die Vorkommnisse im Dritten Reich näher zu bringen. Das Buch betrifft, beklemmt und bringt einem dazu, sich näher mit den Geschehnissen zu beschäftigen. Und genau das soll bei Jugendlichen erreicht werden.

Ich habe schon den Eindruck, dass es realistisch/identisch geschrieben ist. Ein 9-jähriger Junge, mitten in der Maschinerie, abgeschirmt von den tatsächlichen Verhältnissen, keine Ahnung davon, was tatsächlich "abläuft", kann durchaus diese Gedanken, Schlussfolgerungen und Wahrnehmungen haben.

Ich würde dieses Buch als verpflichtende Schullektüre empfehlen!
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon alwin03 » 13.10.2007, 06:18

Nun da das Buch wieder unverletzt in Krümels Regal verschwunden ist auch ein paar Sätze von mir.

Ich habe auch lange über Eure Fragen nachgedacht. Ist das Buch ein Kinder/Jugendbuch? Was denken die Juden darüber?

Für mich war die Schreibweise etwas zu naiv und nur das Ende bezeichnete die Härte dieser Zeitgeschichte. Ich hab sicher die vielen Seitenhiebe gelesen und auch mitbekommen, ich wurde unruhig beim Lesen, als mir die Ausdrucksweise des Autors bewusst wurde.
Alles ist nur angerissen und angedeutet. Viele Gedanken soll der Leser selbst zu Ende bringen. Eigentlich habe ich mehr über seine "unverbesserliche" Schwester, über die depressive Mutter und über Leutnant ??? erfahren, als über die Menschen im Pyjama. Selbst sein Vater tritt mir zuwenig ins Rampenlicht.

Wenn ich ehrlich bin kann das Buch nur jemand verstehen, der um die Geschichte des dritten Reiches Bescheid weiß, einer der die Brutalität, die Menschenverachtung, die Arroganz dieses Systems kennt.
Ein Jugendlicher sollte schon genau über Auschwitz informiert sein bevor er das Buch in die Hände bekommt.
Ich bin mir nicht mal sicher ob es als Schulbuch geeignet ist. Wenn ich meinen Jungen nach der politischen Gesinnung seiner ehemaligen (Sekundarschule) Klassenkameraden frage, dann wird das sicher ein mühevolles Unterfangen für den Lehrer.

Schade, ich wollte eigentlich das Buch noch weiterreichen und es meiner Nachbarin (sehr angagierte Deutschlehrerin bis Klasse 10) überlassen. Hatte mit ihr schon ausgehandelt das sie das Buch nur in ihrer eigenen "Nichtraucherbibliothek" lesen darf. Leider hat das nicht geklappt. Ihre Meinung wäre sicher sehr hilfreich gewesen.

Mich persönlich aber hat die Geschichte berührt. Ich wurde wieder an meinen Besuch in Auschwitz erinnert und ich fand die Schreibweise/Sichtweise aus den Augen eines neunjährigen recht interessant. Es ist halt anders geschrieben als die vielen Bücher zum Thema "Drittes Reich". Durch dieses ANDERS hebt es sich ein wenig ab und verzeiht die o.g. Naivität.
Ein neunjähriger kann natürlich nicht von Brutalität berichten, die er garnicht gesehen hat oder aber falsch interpretiert. Das ist hier der geschichtliche Spagat auf den sich der Autor eingelassen hat.
Etwas mehr Tiefe hätte dem Buch sicher gut getan.

Ich glaube auch, dass es Anlass für viel Diskussionsstoff sein kann. Die Juden könnten verletzt sein wenn man sie als Leute mit "Pyjama" bezeichnet und die Greuel im Lager negiert.
Aber gerade das Ende dürfte auch die Juden wieder zu versöhnenden Worten über das Buch führen.
Ich lese zur Zeit:

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Beitragvon tom » 17.11.2007, 20:21

Ich habe Eure Bemerkungen intensiv verfolgt und will mir irgendwann ein eigenes Urteil bilden. Desletzt sah ich es (bitte nicht verraten!) bei einem Kollegen mit der Bemerkung "ideales Geschenk für Tom", kurz: ich werde es wohl bald erhalten! :wink:

Heute las ich dann mit sehr viel Interesse eine Rezi der anderen Art, da in einer theologischen Zeitschrift (sic!). Interessant auch hier mal wieder, wie dort dieses Buch angegangen wurde!

Als Querverweis wurde dort weniger an Kertesz erinnert als vielmehr an Benignis Film "La vita è bella".

Im Gespräch wurde mir dann als Möglichkeit klar, dass die von Euch erwähnten Wortverunstaltungen von "Führer" und "Auschwitz" eventuell noch ganz anders zu lesen sind. Nicht satirisch, sondern als Wiedergabe des kindlichen Unwissens, was hinter diesen Worten steht.
Übrigens wurde zumindest im Spanischen das Wort "furor" mit ... übersetzt, dem Wort für der Wütende, Erhitzte. Ich GLAUBE, dass das im Englischen auch möglich ist (furour), gleich unserem deutschen Wort Furore, das aber einen ganz anderen Sinn hat! (Wortspiel!!!). Hitler nicht als den Führer, sondern als den Zornigen, das Nervenbündel etc...

Ich selber habe den Namen "Auschwitz" im Kopfe jahrelang verkehrt geschrieben... :oops: Für ein Kind ein wohl schweres Wort?!

(Dies sind Mutmaßungen vor einer eigenen Lektüre!)
tom
 

Beitragvon Krümel » 17.11.2007, 21:05

tom hat geschrieben: Nicht satirisch, sondern als Wiedergabe des kindlichen Unwissens, was hinter diesen Worten steht.


So hatte ich es auch gelesen. Das Buch an sich und komplett als Satire.
BildLiebe Grüße,
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Beitragvon Pippilotta » 17.11.2007, 21:36

Ich hatte es überhaupt nicht und ganz und gar nicht als Satire gelesen. So wie ich auch Benginis "Das Leben ist schön" nicht als Satirischen Film sehe, sondern als ganz, ganz traurigen!
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon Karthause » 17.11.2007, 22:31

Ich empfand es auch nicht als Satire. Wir hatten ja noch über diese Unwissenheit diskutiert, die ja wohl für das Ich-habe von-nichts-gewusst von etlichen Deutschen steht.

Auf deine Meinung zu dem Buch bin ich schon gespannt, tom.
Viele Grüße
Karthause

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Beitragvon Voltaire » 17.11.2007, 23:22

Das Buch ist alles - aber sicher keine Satire.
Voltaire
 

Beitragvon Nerolaan » 09.02.2008, 19:18

Ich liiiiiebe es, mich durch den Index zu wühlen! :D
Ich habe das Buch auf meine Wishlist gesetzt, allerdings auf Englisch.
:wink:
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Beitragvon Karthause » 09.04.2009, 12:48

Ab 07. Mai 2009 läuft die Verfilmung dieses Buches im Kino. Hier ein Link dazu.
Viele Grüße
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Beitragvon alwin03 » 09.04.2009, 15:43

@Karthause, danke für den Link. Ich habe das Buch noch in guter Erinnerung!

Werd ja langsam zum Kinogänger :shock: Vor zwei Wochen "Der Vorleser" und schon bahnt sich das nächst Highlight an :wink:
Ich lese zur Zeit:

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Beitragvon Dr.Who » 12.06.2009, 19:00

So, hab das Buch gerade beendet und muss sagen das ich überhaupt nicht damit warm geworden bin. Ich hab die englische Fassung gelesen und da schien es mir manchmal als ob das “Original” auf deutsch wäre und ein Student das ganze an zwei Wochenenden ins englische rübergezogen hätte. Da wird zwar Brunos Hauslehrer mit “Herr” angesprochen aber Bruno selbst als “Master” auch “Comandant” findet man des öffteren im Deutschfundus von Boyne. Generell mochte ich dieses tapsig kindliche nicht da es oft wie ein ideales Buch zum vorlesen für 12 Jährige wirkt aber welche Eltern lesen ihren Sprösslingen schon eine Gutenachtgeschichte vom Holocaust vor? Auch der Aufbau und die Kapitelunterteilung erinnert alles stark an ein Jugendbuch…bis hin zu den Auslassungen und den ewigen -um den heissen Brei- herumschreien. Mit dem ganzen setzt sich das Buch zwischen alle Stühle und endet als ein unglücklicher Abklatsch von “Roman eines Schicksallosen” von Imre Kertézs.
Und Bruno selbst?
Wo in anderen Büchern 10 Jährige wie Methusalems Großvater daherschwadronieren bekommt Bruno den Mund nicht auf. Zwar gibt der Schriftsteller im Anhang zu einen äußerst naiven Charakter geschaffen zu haben aber meinte das dies der einzige Weg sei mit dem Schrecken zurecht zu kommen…dies und eigentlich restlos alles wegzulassen was mit dem Thema zu tun hat, aber so ne Dumpfbacke hat das Thema nicht verdient.
Auf meiner Ausgabe meinte der Rezensent von USA Today das Buch auch ohne weiteres mit dem “Tagebuch der Anne Frank” vergleichen zu können ob dem so ist muss wohl jeder für sich selbst entscheiden…
Dr.Who
 

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