Zeitlupe von J.M. Coetzee
Paul Rayment lebt in Adelaide, Australien, ist 60 Jahre alt, Fotograph, alleinstehend. Sein ruhiges Leben wir umgekrempelt als er einen schweren Fahrradunfall hat, bei dem er ein Bein verliert. Eine Prothese verweigert er, so dass er auf häusliche Pflege angewiesen ist. Mit Marijana Jokic, kroatischer Abstammung, findet er schon bald eine Krankenschwester, die ihn nicht wie die anderen wie ein Kind behandelt. Paul verliebt sich und macht ihr ein großzügiges Angebot, die Ausbildung ihres Sohnes zu finanzieren. Ein Geschenk, das die Familie Jokic nicht annehmen will, da sie Bedingung vermuten und ihren Stolz verletzt sehen. Und dann tauscht auch noch die über 70jährige Schriftstellerin Elizabeth Costello auf, quartiert sich in Pauls Wohnung ein und mischt sich in alles...
Coetzee erzählt von einem Mann auf der Schwelle zum Alter, der durch äußere Umstände diese Schwelle sehr schnell überschreitet, dann zur Langsamkeit gezwungen wird. Fragen über das Leben werfen sich auf: hätte er doch Kinder haben sollen, nicht fast immer allein leben? Was kann er jetzt noch ändern? Was einer Frau bieten?
Der Anfang des Buchs gefiel mir ausnehmend gut, doch das Auftreten der Costello hat mir den Spaß ein bisschen genommen. Es gibt keine Erklärung warum und woher Sie kommt, eine Art guter Engel mit groben Worten, eine lebendig gewordene innere Stimme, immer bleibt etwas geheimnisvoll-mystisches um sie, das für mich nicht zum Rest des Romans passen will. Dabei hat mich Pauls Schicksal sehr interessiert, sein Entwurzelt sein: in Frankreich geboren, in Australien groß geworden, lebte er sein Erwachsenenleben in beiden Ländern und kann sich in keinem zuhause fühlen. Da er auch keine Familie hat, trifft ihn die Abhängigkeit von Hilfe doppelt: es ist niemand da, der ihm aus Zuneigung oder Liebe helfen würde, Pflege kann er sich nur erkaufen. Das Spannungfeld zwischen Gepflegtem und Pflegerin wird anschaulich und mitfühlend beschrieben.
Wer Roth "Jedermann" und Begleys "Schmidt" mochte, wird auch an diesem Roman Gefallen finden. Ohne Mrs. Costello wären es vielleicht sogar geworden, so ein bis eineinhalb weniger.
Katia