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Kaiser-Mühlecker, Reinhard - Wiedersehen in Fiumicino




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Kaiser-Mühlecker, Reinhard - Wiedersehen in Fiumicino

Beitragvon Pippilotta » 15.07.2011, 17:48

In seinem dritten Roman verlässt Reinhard Kaiser-Mühlecker den immer sehr beschaulich dargestellten Schauplatz Österreich seiner beiden Romane „Der Gang über die Stationen“ und „Magdalenaberg“ und führt den Leser nach Argentinien. Im Mittelpunkt steht Joseph, zurückhaltender und etwas zielloser Wiener Agraringenieur, der in Buenos Aires an einer Studie der Lebensmittelindustrie arbeitet, akribisch das Sortiment von Supermarktketten durchforstet und sich überdies den Anbau von Gen-Soja erforscht. So konsequent, genau und verlässlich er seine Arbeit erledigt (über die man leider nicht viel erfährt), so nachlässig, fahrlässig und egoistisch regelt er seine privaten Dinge. Seine Wiener Freundin hat er von seinem Auslandsaufenthalt nicht informiert, und in Buenos Aires zieht er nach wenigen Tagen zu Savinia, einer begabten Musikerin, die allerdings an ihr Talent nicht glaubt, die er dort kennenlernt, um sie aber kurz später genauso schnell wieder zu verlassen.

Während dieser Zeit in Buenos Aires kreuzen sich die Lebenswege der insgesamt vier Protagonisten, die alle irgendwie mit Joseph verbunden sind. Sein ehemaliger Wiener Freund Hans Kramer ist schon vor Jahren ausgewandert, nennt sich Juan und arbeitet als Museumswärter, Augusto ist Arzt und Sohn eines argentinischen Großgrundbesitzers, der mit seinem Vater aufgrund dessen Profitstreben gebrochen hat.

Die Protagonisten kommen abwechselnd – jeweils in der Ich-Form – zu Wort, Joseph steht immer im Fokus des Erzählten. Genau dieser Kniff macht dieses Buch zu etwas Besonderem, ist aber gleichzeitig auch das größte Problem. Ein und dieselbe Situation wird im nächsten Kapitel aus der Sichtweise eines anderen erzählt, wird dadurch viel plastischer und stellt sich plötzlich ganz anders dar. Der Einstieg fällt sehr schwer, zu Beginn tummeln sich die vielen „Ichs“ und sind nur schwer einzuordnen. Doch mit den Kapiteln lernt man die Charaktere näher kennen und kann so auch die Erzählenden besser zuordnen. Das Buch liest sich aufgrund der ständig wechselnden Perspektiven sehr kurzweilig, der Sprachstil ist ausgefeilt und detailverliebt, und dennoch fehlte mir das gewisse Extra, bleibt es mir ein wenig zu sehr an der Oberfläche. Ob es an der sehr betonten Bemühung, dem Buch einen Touch von Globalisierung zu verleihen, oder ob es einfach nur daran liegt, dass man vielleicht zu viele Themen auf 300 Seiten verpackt hat , kann ich nicht sagen. Dennoch sehr lesenswert, wenn auch meiner Meinung nach nicht das beste Buch des Schriftstellers!

:stern: :stern: :stern: :stern:

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Pippilotta


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