Krümels-Bücherwelt ...

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Lang, Thomas - Am Seil




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Lang, Thomas - Am Seil

Beitragvon Pippilotta » 22.07.2006, 20:51

Inhalt:(amazon.de)

Als führte der Alte noch vom Krankenbett aus die Regie, misslingt schon die Annäherung gründlich. Kaum biegt der Sohn mit seiner Maschine auf den Parkplatz des Seniorenheims ein -- kippt das schwere Motorrad und erschlägt ihn fast. Gert, ehemaliger Fernsehmoderator, wegen eines sexuellen Übergriffs auf eine Mitarbeiterin entlassen, ist auf heikler Mission. Sein Leben war endgültig zum Katastrophengebiet geworden, als bei einem Autounfall (durch seine Schuld?) seine junge Geliebte getötet wurde und die Presse sich in gierigen Sensationsmeldungen schier überschlug. Nun, nach zehn Jahren und ohne recht zu wissen warum, arbeitet er sich durch schweißtreibend labyrintische Flure zum kranken Vater vor. Von dem er sich zeitlebens verachtet fühlte. Gert ahnt, was in dem abgedunkelten Zimmer auf ihn wartet.

Schon lange nicht mehr habe ich ein Buch an einem Nachmittag und fast ohne Unterbrechung gelesen. Heute war es wieder einmal so weit. Es lag einerseits natürlich daran, dass es nur 173 Seiten hat und leicht verständlich geschrieben ist. Es passiert eigentlich nicht viel in dieser Vater-Sohn-Konflikt-Geschichte. Mit beeindruckendem Einfühlungsvermögen schildert der Autor abwechselnd aus der Perspektive des Vaters Bert, nunmehr alt, krank, einsam und auf Hilfe angewiesen all die Verfallserscheinungen, die das Alter mit sich zieht und aus der Perspektive des Sohnes Gert, ein ewiger Verlierer, der keinen Fettnapf auslässt, es dem Vater bis heute nie recht machen hat können und eigentlich nie „erwachsen“ geworden ist.

Während der gemeinsamen Autofahrt reflektieren die beiden ihr Leben. Beide sind Verlierer, beide lebten nicht das Leben, das sie sich gewünscht haben, und sind eigentlich gescheitert. Nach und nach erfährt der Leser – teils sehr pikante und überraschende – Details aus der beiden Leben.
Die tiefen Abgründe zwischen ihnen, getragen von Schuldzuweisungen, Vorurteilen und Eigensinn können offenbar auch jetzt nicht überwunden werden.

Es ist ein sehr trauriges Buch, ein Buch über den Tod, über das Altern, über gescheiterte Existenzen, vertane Chancen und den oft fehlenden Mut, eigene Wege zu gehen, aufeinander zuzugehen und Konflikte aktiv zu bereinigen.


Für das Schlusskapitel dieses Buches erhielt Thomas Lang den Bachmann-Preis 2005. Die vorhergehenden Kapitel wurden danach ergänzt.

:stern: :stern: :stern: :stern:

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Herzliche Grüße
Pippilotta


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Lang, Thomas - Am Seil

Beitragvon Voltaire » 09.02.2008, 18:08

Titel: Am Seil
Autor: Thomas Lang
Verlag: Piper
Erschienen: Januar 2008
Seitenzahl: 176
ISBN-10: 3492250106
ISBN-13: 3492250106
Preis: 8.00 EUR


Thomas Lang wurde 1967 geboren. Er lebt seit 1997 als Autor in München. 2005 erhielt er den Ingeborg-Bachmann-Preis für einen Auszug aus diesem Buch, aus dem Roman „Am Seil“.

„Am Seil“ ist die Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn. Bert Kesperg, der ehemalige Sportlehrer, lebt in einem Altersheim. Seine ganze Liebe gilt der Pflegerin Pauline, seinem täglichen Fixpunkt. Eines Tages erscheint sein Sohn Bert, ein ehemaliger Fernsehmoderator, der gerade seinen Arbeitsplatz verloren hat, weil er seine Assistentin sexuell belästigt hatte. Bert und Gert haben sich eigentlich nichts zu erzählen, ein schwacher Sohn trifft auf einen starken Vater, und als die Pflegerin Pauline dann erzählt, dass man ihr gekündigt hätte, da sieht Gert seinen Vater als einen Menschen der auch seine Schwächen hat.

Dann verlassen die Beiden das Altersheim und machen sich in Berts Auto auf die Reise zu dem Hof auf dem sie früher gelebt haben.

Thomas Lang fügt der schon sehr oft beschriebenen Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn ein weitere Variante hinzu. Und im Laufe des Buches fragt man sich schon, musste dieses Buch eigentlich sein. Braucht man ein weiteres „Vater-Sohn-Buch“? Genaugenommen braucht man dieses Buch nicht. Man fragt sich, was Thomas Lang mit seinem Buch eigentlich sagen will. Offenbar schaut man ihm bei der Suche nach einem tieferen Sinn 176 Seiten über die Schulter. Das Buch fesselt nicht unbedingt, erst zum Schluss kommt so etwas wie ein wenig Spannung auf und dann ist da noch der Umstand, dass dieser „hochdramatische“ Schluss nicht so richtig zu diesem Buch, zu dieser Geschichte, passt. Müsste man das Buch mit einer Schulnote bewerten, so würde es wohl mit Rücksicht auf die Eltern lediglich zu einem „befriedigend“ reichen.

Muss man das Buch gelesen haben? Sicher nicht.
Ist es Zeitverschwendung es zu lesen? Sicher nicht.

Es ist ein Stück zeitgenössischer Literatur, ein echtes Highlight ist es nicht.

Meine Bewertung:
:stern: :stern: ( :stern: )
Voltaire
 

Beitragvon dubh » 11.02.2008, 17:34

"Am Seil" von Thomas Lang ist ein gut inszeniertes Drama über einen Vater-Sohn-Konflikt. Im Rampenlicht stehen zwei gebrochen Helden, Vater Bert und Sohn Gert, die nie etwas miteinander anfangen konnten und die doch mehr verbindet als ihre fast identischen Vornamen.
Mehr als 40 Jahre hat Gert, der ehemals bekannte Fernsehmoderator, nun auf dem Buckel, als er sich eingestehen muss, dass er auf ganzer Linie versagt hat. Vater Bert, einst ein drahtiger Sportlehrer, nun aber als zittriger Greis in den Rollstuhl verbannt, hatte für seinen Sohn ohnehin nur Verachtung übrig, für das "Hängende, Schlaffe" an dessen Körper und seine Zögerlichkeit und Unbestimmtheit.
Nun steht der ungeliebte Sohn ganz plötzlich in Berts Zimmer des Pflegeheims, und der lebensmüde Alte wittert die Chance, mit Hilfe des Jüngeren seinem Leben und Siechtum ein Ende zu setzen.
Er bittet den Sohn ihn noch einmal zu seinem Hof zu fahren. Die Gespräche im Heim und während der Fahrt beschränken sich auf das Allernötigste – ja geradezu peinlich versuchen sie, all das zu umgehen, was den alten Groll aufeinander wieder zum Ausbruch bringen könnte.

Erst beim Showdown in der heimischen Scheune, als Gert den Entschluß, den sie beide stillschweigend gefasst haben, zielstrebig umsetzt, brechen die alten und neuen Verletzungen hervor: „Ich tauge zu nichts mehr!“, jammert der Vater und Gert antwortet nuschelnd „Da haben wir etwas gemeinsam!“. Versagen und Lebensüberdruss sind die Klammern, die sie schließlich beieinander halten und die es ihnen ermöglichen, in einem Sinne füreinander da zu sein, wie sie es selbst nicht für möglich gehalten hätten.


Fazit: Der Roman wird aus zwei Erzählperspektiven heraus geschrieben und zeichnet sich durch eine schöne Sprache und bewegende, sensible Stimmungsbilder aus! Trotzdem ist das xte Buch zum "archaischen Vater-Sohn-Konflikt" (Klappentext), das ich langsam einfach nicht mehr brauch(t)e und das auch nicht durch besondere Wendungen oder neue Erkenntnisse hervorsticht.

:stern: :stern: :stern:

Liebe Grüße
dubh
dubh
 


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