Hallo Katia,
ich möche den Roman mal aus familiär soziologischer Sicht betrachten:
„Das fünfte Kind“ erzählt die Geschichte von David und Harriet, die ihr Glück planen, in dem sie sehr viele Kinder in die Welt setzen wollen, ihren Schwerpunkt auf das Glück im Kreise der Familie setzen. Mit dem fünften Kind aber, offenbar einer genetische Verirrung, ein Überbleibsel einer
„genetischen Saat“ einer Kreatur, eines Urahn des Menschen, kommt ein Kind zur Welt, dass die Familie zum Zusammenbruch führt – Ben, so heißt er, ist böse, hat ein unmenschliches Aussehen, ist bärenstark aber einfältig im Verstand.
Unsere Geschichte beginnt in den sechziger Jahren. Wird in diesem Jahrzeht die sexuelle Freiheit gepredigt, so interessiert Harriet und David dieses gar nicht. Für sie gilt, eine Familie mit fruchtbarem Nachwuchs zu gründen. Selbstverständlich geht Harriet jungfräulich in die Ehe. Sie ist halt altmodisch, ihr Arzt übrigens auch. Und so kaufen sie ein dreistöckiges Haus, wohlgemerkt ein viktorianisches, und zeugen ein Kind nach dem anderen. Die Pille ist tabu, man will doch der Natur seinen Lauf überlassen. Mit Ben, der Anfang der siebziger Jahre geboren wird, macht ihr Familienglück eine Kehrtwendung.
Doris Lessing spiegelt in dem Roman die damalige Zeit wieder. Damals wurde leichtfertig den Eltern alle Schuld zugeschoben, wenn ein Kind sich nicht so entwickelte, wie es sich entwickeln sollte. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Hölderlin-Biografie von Pierre Berteaux, der Hölderlins Mutter als
„schizophrenogen“ degradierte, ohne eine plausible medizinische Begründung vorzuweisen. In unserem Roman wird, wenn es um Bens Entwicklung geht, Harriet alle Schuld aufgeladen.
Übrigens, nachdem das Malheur mit Ben passiert ist, nimmt sie sogar die Pille.
Liebe Grüße
mombour