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Murakami, Haruki - 1Q84




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Murakami, Haruki - 1Q84

Beitragvon Krümel » 11.08.2011, 10:46

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Ein typischer Murakami, äußerst spannend und mysteriös, melodisch geschrieben oder übersetzt, aber eben leider noch nicht vollkommen!

Das Buch wird aus zwei Ebenen her beschrieben und diese wechseln kapitelweise. Die eine Ebene handelt vom Protagonisten Tengo: Ein 30 jähriger Mathematiklehrer und angehender Schriftsteller. Die typisch männliche Murakami Besetzung – häuslich, unentschlossen, etwas schlampige Bekleidung und eher ein Frauenfreund als Draufgänger. Die Andere wird von Aomame getragen – das genaue weibliche Gegenteil – taff, eigentlich gutaussehnend, willensstark, aber tief innerlich sehr verletzlich. Natürlich wieder das perfekte Paar.

Tengo hat als Schriftsteller schon einige Werke geschrieben, er reicht sie auch regelmäßig bei Roman-Debüt-Preisen ein und sein künftiger Verleger hält auch große Stücke auf ihn, aber irgendwas fehlt immer in seinen Romanen – Lebendigkeit. Doch dann taucht die 17 jährige Fukaeri auf. Sie reicht einen Roman für den Wettbewerb ein, der vom Inhalt, von der Geschichte her, spannend und lebendig ist, nur am Stil mangelt es ihr. Kurzer Hand entschließt sich der Verleger, dass Tengo ihren Roman überarbeiten soll.
Fukaeri erzählt in ihrem Buch ihre eigene Geschichte, eine Geschichte die bald auf beiden Ebenen überschwappt und „1Q84“ immer spannender macht.

>>Am Himmel standen zwei Monde. Ein großer und ein kleiner. Nebeneinander. Der große war der ihr vertraute gute alte Mond. Er war fast voll und gelb. Aber neben ihm befand sich ein weitere Mond, der ihr ganz und gar nicht vertraut war.<<

Diesmal besitzt das Buch ein Leitmotiv, denn direkt zu Beginn in Kapitel 7 geht es um folgende Ausgangsstellung: Aomame ist Auftragskillerin und beseitigt Männer, die Frauen oder Mädchen missbrauchen und misshandeln. In ihrer Ebene geht es immer um die Frage, ob dieses Richten gut oder schlecht ist. Inwieweit ist es richtig, dass man das Böse vernichtet um das Gute zu stützen, wie die Natur mit dieser Frage umgeht und ob dieser Dualismus nur in der menschlichen Moralverstellung seine Gültigkeit hat.

>>Die Gene denken nicht in Kategorien von Gut und Schlecht. Wir haben Glück oder Pech mit ihnen, aber sie wissen nichts davon. Denn wir sind nicht mehr als ein Mittel zum Zweck. Für die Gene zählt nur, was für sie selbst den größten Nutzen bringt.<<

Mit dem Leader, eine weitere Figur im späteren Verlauf der Handlung, findet dann der Roman sein „Böses“. Und wenn man das „Gute“ schützen möchte, sollte man das „Böse“ aus der Welt schaffen! Doch von dieser Figur erhält der Leser folgende Betrachtung:

>>Gut und Böse sind keine festen, unveränderlichen Größen, sondern Aspekte, die ständig je nach Perspektive wechseln, was in einem Moment gut ist, kann im nächsten böse sein. Und umgekehrt …
Entscheidend ist das Gleichgewicht zwischen den sich in unablässiger Bewegung befindlichen Kategorien von Gut und Böse zu halten. Bekommt eine Seite das Übergewicht, wird es schwierig eine realistische Moral aufrechtzuerhalten. Das Gleichgewicht an sich ist das Gute.<<


Außer ein paar übertriebene Wiederholungen in der Mitte, wo allmählich die beiden Ebenen verschmelzen, bin ich der Meinung, dass „1Q84“ zeigt, dass Murakami wirklich auf der Höhe seines Schaffens angekommen ist! Äußerst spannend, eine gut umflochtene Handlung, aussagekräftige Metaphern und gute Symbol-Übertragungen, auch die Figuren sind überzeugend und lebendig, all das macht dieses Buch wirklich zu einem Lesegenuss, und sorgt für angenehme Unterhaltung.
Jetzt bleibt uns Lesern nur noch bis Oktober (2011) zu warten, um voller Erwartung den dritten Teil lesen zu dürfen, in der Hoffnung, dass sich alles auflöst und der Roman perfekt abgerundet wird.

Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern: / :stern:
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Krümel



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Re: Murakami, Haruki - 1Q84

Beitragvon Krümel » 09.11.2011, 11:16

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Buch 3

Die Jagd nach Aomame geht weiter und zu den zwei Ebenen (Tengo und Aomame) kommt nun eine dritte ins Spiel „Ushikawa“. Er sucht im Namen der Vorreiter nach der Mörderin des Leaders, und kommt ihr auch ziemlich nahe. Dadurch ist dieser Teil wieder sehr spannend, obwohl im Grunde gar nicht viel geschieht: Tengo reist gemächlich zu seinem Vater ins Sanatorium, Aomame sitzt in ihrer Wohnung fest, einzig Ushikawas Leben bewegt sich. Dennoch ist das Buch alles andere als langweilig und liest sich sehr flott.

>>Er hatte -… - als Blatt eines Baumes das Licht seines Bewusstseins gelöscht, alle Türen seines Gedächtnisses abgesperrt und gewartet, dass der Winter kam.<<

Allerdings fehlt diesem Band der Zauber, der in Buch 1 und 3 noch vorhanden war. Vielleicht liegt es daran, dass es hier keine Übertragungen gibt und dadurch die Handlung teilweise sehr unrealistisch wirkt. Manchmal hatte ich tatsächlich das Gefühl, ich läse einen Fantasy-Roman.

>>Wenn ein Phänomen nun offensichtlich existierte - … - blieb eigentlich nichts anderes übrig, als dessen Realität anzuerkennen. … Realität entstand nicht durch Prinzipien und Logik, sondern Realität war zuerst da, und erst im Zusammenhang mit ihr ergaben sich die Prinzipien und die Logik.<<

Fazit: Man muss die Dinge so nehmen wie sie sind/erscheinen, damit leben und ggf. seine Einstellung zu den Dingen ändern!

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