Krümels-Bücherwelt ...

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Powers, Richard - Der Klang der Zeit




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Powers, Richard - Der Klang der Zeit

Beitragvon Krümel » 07.02.2007, 13:21

Der Klang der Zeit von Richard Powers

Ein riesiger Wälzer, der mich hin und her gerissen hat!

Im Jahr 1939 gibt eine schwarze Sängerin vor dem Licolndenkmal in Washington ein Freilichtkonzert. Eigentlich war ihr Auftritt in einer Halle geplant, doch kurzer Hand wurde es von den „Weißen“ verhindert, welche aber nicht verhindern konnten, dass Miss Anderson kostenlos auf dem Mall singt, und die Massen anzieht.
Delia, deren Traum es ist Sängerin zu werden, obwohl ihr Vater ihr von diesem Wunsch abrät, da Schwarze keine Chance besäßen sich frei zu entwickeln, besucht dieses Konzert. Dabei lernt sie den Physiker Daniel kennen. Aufgrund eines Zwischenfalls nach dem Auftritt; ein kleiner schwarzer Junge verirrt sich, und die beiden suchen gemeinsam nach seiner Familie; verliebt sie sich in diesen weißen Träumer.
Auch für Daniel ist die Musik die Vollkommenheit, ein Weg zur Harmonie und zum „Klang der Zeit“.

Die Eltern Delias sind alles andere als begeistert als sie ihnen mitteilt, dass sie einen deutschen Juden heiraten wird. Doch Daniel wird schließlich herzlich in der Familie aufgenommen.
Die Ehe bringt in den Zeiten des Zweiten Weltkriegs zwei Jungen hervor, die Jojos, Jonah und Joseph, und letztendlich noch eine Tochter, Ruth.
Als Physiker arbeitet Daniel im Krieg an der Entwicklung der Atombombe mit, die dann kurz vor Ende auf Hiroshima und Nagasaki landen.

Nach dem Krieg kommt es zu einem Zerwürfnis zwischen den Familien. Der Vater von Delia kann die Erziehung der Mischlingskinder nicht akzeptieren, er hält es für einen Verrat an seiner Rasse, dass die Kinder ausschließlich musisch, und fern ab des Weltgeschehens, eine eigene Rasse sozusagen im liberaleren New York, aufwachsen. Er wirft ihnen vor, die Augen zu verschließen, und es ist ihm auch ein Dorn im Auge, dass Daniel ein „Weißer“ ist, der die Problematik der Schwarzen niemals fassen kann. Die Verfolgung der Juden, was Daniel natürlich dazu besteuert, verharmlost er. So kommt es zu einer lautstarken Auseinandersetzung, wo Dinge ausgesprochen werden, die tiefe Wunden reißen, und die niemals mehr verheilen werden.

Die Abende bei den Storms sind danach nie mehr so heiter und entspannt wie vorher. Das Singen und die Musik sind zwar nach wie vor das Dach der Familie, aber melancholischer.
Kurz darauf wird Jonah, die göttliche Stimme aus der Vereinigung der mathematischen Harmonie und der Stimmgewalt seiner Mutter, auf eine Musikschule nach Boston geschickt. Ein Jahr später folgt auch Joseph.

Die Musik ist das zweite Hauptthema des Buches. Powers kann mit dem geschriebenen Wort Töne erzeugen, die im Leser vibrieren und zur Melodie reifen. Generell ist die Sprache des Autors so einfühlsam und beschreibend, dass alle Figuren, Gefühle und Gedanken lebendig sind. Er ist ein wahrer Meister des Erzählens!

Aber meine Begeisterung schwankte zwischen Überdruss und Faszination, eine Zerreißprobe, da Powers das Buch ganz eindeutig aufbauscht, und das Thema unnötig verkompliziert.
Nicht nur, dass Powers das Thema aufgreift, die Stellung der Schwarzen im letzten Jahrhundert in Amerika, ein Thema, welches für sich bedrückender gar nicht sein kann. Nein, er schüttet auch noch einen weißen Juden als Zeugungsvater der drei Musiktalente in die Handlung hinein.
Sind die Kinder nicht wegen ihrer Herkunft schon Mischlinge oder Mulatten, die sich nirgends heimlich fühlen, muss es auch noch durch den Glauben dramatisiert werden. Meiner Meinung nach ganz eindeutig zu viel des Guten. Auch Schicksschläge reihen sich in diesem Roman fortwährend aneinander.

Auf einer Welle der Euphorie hat mich der Autor getragen, wenn es um die Musik ging, und wenn Joseph über sein Leben und seine Gedanken philosophierte. Eine anmutigere Sprache liest man nur sehr selten. „Verlockung“ von János Székely könnte man hiermit vergleichen.

Zu diesem Werk muss man auf jedem Fall sehr viel Muße mitbringen, und deshalb kann der Roman von mir nur eingeschränkt empfohlen werden.

:stern: :stern: :stern: (:stern:)

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Beitragvon wolves » 07.02.2007, 13:27

Ein Buch, welches ich letztes Jahr mit großer Freude gelesen habe. Etwas Zeit und Durchhaltevermögen sollte man dafür wirklich mitbringen, aber es lohnt sich.
Ich fand es unglaublich wie Powers Musik beschreibt. Man fühlt und hört sie regelrecht.
Liebe Grüße
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Beitragvon Karthause » 07.02.2007, 13:41

In absehbarer Zeit werde ich mich dann auch mal an dieses Werk wagen. Ich bin schon sehr gespannt.

Habt ihr schon andere Bücher von Powers gelesen?
Viele Grüße
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Beitragvon wolves » 07.02.2007, 14:02

@Karthause: Nein, noch nicht. "Schattenflucht" liegt noch auf meinem SUB.
Liebe Grüße
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Beitragvon Siebenstein » 07.02.2007, 17:40

So richtig begeistert klingst du ja nicht @Krümel. Dabei hatte ich gehofft, du würdest uns jetzt hier mit wahren Begeisterungsstürmen motivieren, das Buch ganz schnell von seinem SUB-Dasein zu befreien. :mrgreen:

Nein, jetzt im Ernst, danke für deine ausführliche Rezi, auf die ich schon sehr gespannt war. Ich bin neugierig geworden, wie das Buch wohl auf mich wirken wird. Melde mich dann zu gegebener Zeit hier wieder, wann immer das auch sein wird. :wink:

Liebe Grüße
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Beitragvon Krümel » 07.02.2007, 19:02

@ Karthause
Nein, "Der Klang der Zeit" war mein Erstling. Das nächste Buch von Powers muss auf jedem Fall einige Zeit warten, bis ich wieder dazu greife.

@ Siebenstein
Leider auch nein :-( So richtig aus den Socken gezogen hat mich das Buch nicht :wink:
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Beitragvon Voltaire » 07.02.2007, 19:27

Liebe Heide - ganz herzlichen Dank für deine Rezi. Aufgrund deiner Rezi werde ich dann doch irgendwann (wahrscheinlich irgendwann im Urlaub) an dieses Buch rangehen - obwohl ich mit Powers so meine Probleme habe. "Schattenflucht" habe ich völlig entnervt nach etwa 100 Seiten durch Raum und Zeit geschleudert. Fürchterlich!

Aber deine drei Punkte sprechen auch nicht gerade von überschäumender Begeisterung.

Es imponiert mir aber wirklich jetzt - dass du dich diesem "Dickmann" gewidmet hast.
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Beitragvon Krümel » 07.02.2007, 19:32

Was ist denn mit "Schattenflucht" gewesen, Voltaire? Hat er da auch total auf die Tränendrüse gedrückt? Oder warum warst du genervt?
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Beitragvon Voltaire » 07.02.2007, 19:39

Krümel hat geschrieben:Was ist denn mit "Schattenflucht" gewesen, Voltaire? Hat er da auch total auf die Tränendrüse gedrückt? Oder warum warst du genervt?


Nee - ich hab das Buch ganz einfach nicht verstanden. Ich hab einfach nicht begriffen worum es eigentlich ging. :wink:
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Beitragvon wolves » 08.02.2007, 14:34

Voltaire hat geschrieben:
Krümel hat geschrieben:Was ist denn mit "Schattenflucht" gewesen, Voltaire? Hat er da auch total auf die Tränendrüse gedrückt? Oder warum warst du genervt?


Nee - ich hab das Buch ganz einfach nicht verstanden. Ich hab einfach nicht begriffen worum es eigentlich ging. :wink:


:shock: oh je! Da bin ich mal gespannt wie ich irgendwann mit dem Buch zurechtkommen werde.
Liebe Grüße
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Beitragvon schnecke » 30.03.2007, 14:28

Voltaire hat geschrieben:
Krümel hat geschrieben:Was ist denn mit "Schattenflucht" gewesen, Voltaire? Hat er da auch total auf die Tränendrüse gedrückt? Oder warum warst du genervt?


Nee - ich hab das Buch ganz einfach nicht verstanden. Ich hab einfach nicht begriffen worum es eigentlich ging. :wink:

Mir ging es mit "Galatea2.2" so, welches ich mir eigentlich nur deshalb gekauft habe, weil ich vom Klang der Zeit so begeistert war.

Der "Klang der Zeit" war mein Weihnachtsgeschenk 05 vom nichtlesendsten aller Ehemänner, und ich habe ein paar Tage stark hingerissen damit verbracht.
Zwei der Themen haben mich besonders beeindruckt, und zwar erstens der Rassismus, dessen ich mir, vielleicht auch aufgrund der (unrealistischen?) Schwarzweißquoten im importierten Fernsehen gar nicht in solcher Tragweite bewusst war und zweitens der musikalische Teil. Ich schätze es, wenn Musiktexte gut recherchiert sind, und der Mann kennt sich wirklich bis, bis hin zu Finessen bei der Interpretation Alter Musik.

Ich weiß jetzt nicht, ob ichs in meiner Liste beim Vorstellen erwähnt habe, aber dieses Buch kommt auch noch einmal dran, da war zuviel, was ich ein zweites mal verdauen möchte.

Seltsamerweise sprechen mich aber die neuesten "Schinken", die in den Buchhandlungen liegen, beim Reinlesen auch nicht so an.
schnecke
 

Beitragvon alwin03 » 04.10.2007, 14:03

Gestern hat sich dieses Buch auf meinen SUB gelegt :wink:


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Ich lese zur Zeit:

--------------------------------------- ???


wENN nUr meinE sCHleChte recht(s)SchreIbunG nICHT wÄr :cry:
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Beitragvon wolves » 04.10.2007, 14:19

@Alwin: Da bin ich auf deine Meinung sehr neugierig. Ich hatte das Buch auch schon mal in der Hand gehalten.
Liebe Grüße
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Beitragvon Krümel » 04.10.2007, 16:07

Nö, Powers muss bei mir momentan nicht sein :wink:
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