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Seethaler, Robert - Die Biene und der Kurt




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Seethaler, Robert - Die Biene und der Kurt

Beitragvon Voltaire » 19.01.2008, 11:44

Titel: Die Biene und der Kurt
Autor: Robert Seethaler
Verlag: Kein und Aber
Erschienen: März 2006
Seitenzahl: 286
ISBN-10: 3036951555
ISBN-13: 978-3036951553
Preis: 18.90 EUR


18.90 EUR für ein Buch über einen Imker und seine Biene wären natürlich ein starkes Stück. Worum es aber in diesem Buch geht, hat mit Imkerei, mit Imkern als solche und mit Bienen absolut nichts zu tun. Es geht nicht einmal um andere Insekten, geschweige denn um andere uns plagende Insektenarmeen.

In diesem Buch geht es um die Biene und den Kurt. Die Biene ist ein Mädchen, das in einem Kinderheim lebt bzw. gerade dort erst angekommen ist. Warum das so ist, wird in dem Buch nicht gesagt, wäre auch für die Geschichte nicht unbedingt von hervorragendem Interesse gewesen. Also, einfach mal so hinnehmen dass es so ist und sich nicht lange bei diesem Gedanken aufhalten, warum die Dinge so sind wie sie sind und warum es auch alles hätte anders kommen können.

Die Biene – der Autor spricht von diesem Mädchen immer von „die Biene“ – läuft aus diesem Kinderheim weg, zweimal macht sie es und beim zweiten Mal trifft sie auf Kurt, den Westentaschen-Elvis, den Elvis für ganz Arme. Mit seinem Wohnmobil fährt dieser selbsternannte „Kurt Heartbreakin’ Dvorcak“ durch die Lande um seine Rock ‚n’ Roll Show in diversen kleinen Kneipen in noch kleineren Dörfern, auf dem platten Land eben, in Scheunen und sogar auch in Altersheimen zu präsentieren. Sind mal mehr als 25 Gäste da, gilt es für ihn schon als voller Erfolg. Offenbar ist er aber mit diesem Nomadenleben zufrieden, wenigstens liest man in diesem Buch keine diesbezüglich Beschwerde von ihm. Der Kurt braucht seine Musik, seine Filterlose im Mund und seinen "Schottischen" neben sich. Das ist er, der Kurt, der Rock'n'Roller.

Und wie bereits gesagt, dann treffen sich der Kurt und die Biene. Sie tun sich zusammen und als der Kurt sich die Hand bricht, wobei sei jetzt nicht verraten, da greift auch die Biene schon mal in die Tasten des Kurt’schen Keyboards.

Robert Seethaler, der Autor dieses Buches wurde 1966 in Wien geboren und lebt und schreibt jetzt in Berlin. Und wie dieses Buch eindeutig beweist, ist es eine tolle Sache, dass der Robert Seethaler damit begonnen hat Bücher zu schreiben.

Seethaler hat ein sehr schönes, ein gefühlvolles Buch geschrieben. In seiner eigentümlich aber sehr gängigen Sprache versteht es der Autor meisterhaft, seinen beiden Hauptakteuren bleibende Konturen zu geben, ihnen so etwas wie ein Bücherleben einzuhauchen, ohne das es in der Literatur einfach nicht geht. Diese beiden Menschen, die von einigen sicher als Loser tituliert werden, gehen mit den Lesern fast eine echte Beziehung ein. Sie faszinieren und man begegnet ihnen mit allem Verständnis, ein Verständnis auf das so mancher im realen Leben vielleicht vergeblich wartet. Es ist ein ruhiges Buch, vermischt mit einer Portion der notwendigen, aber nicht nervenden Unruhe, die es braucht, will man den Leser (die Leserin natürlich) 286 Seiten lang bei der sprichwörtlichen Lesestange halten. Es ist eine Unruhe, die ruhig wirkt, die lediglich das Tempo in so manchen Szenen des Buches erhöht. Naja, und manchmal geht es wirklich sehr temporeich zu, aber auch die notwendigen Atempausen, einmal für die Biene und den Kurt, aber nicht zu letzt auch für die liebe Leserschar kommen nicht zu kurz.

Ein sehr schönes Buch, das wenn man es gelesen hat, einen diesen Gedanken denken lässt: Es gibt sicher ungeheuer viele, interessante und lesenswerte Bücher, von deren Existenz man einfach nichts weiß, geschweige denn das man sie gelesen hat.

In diesem Sinne ganz viel Freude bei der Lektüre von „Die Biene und der Kurt“ , dass von Robert Seethaler geschrieben wurde und das im Kein & Aber Verlag im März 2006 zu einem Preis von 18.90 EUR erschienen ist.

Meine Bewertung:
:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

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Zuletzt geändert von Voltaire am 06.02.2008, 09:17, insgesamt 1-mal geändert.
Voltaire
 

von Anzeige » 19.01.2008, 11:44

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Re: Seethaler, Robert - Die Biene und der Kurt

Beitragvon Pippilotta » 19.01.2008, 14:01

Voltaire hat geschrieben:Es gibt sicher ungeheuer viele, interessante und lesenswerte Bücher, von deren Existenz man einfach nichts weiß, geschweige denn das man sie gelesen hat.


genauso ist es! Es gibt richtige Juwelen fernab der Bestsellerlisten, und dieses Buch scheint ein so ein Juwel zu sein. Hab noch nie was davon gehört! Aber ist schon notiert! :thumright:
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon Wirbelwind » 19.01.2008, 16:25

Und ich habe es nicht nur notiert, sondern gleich bei Amazon bestellt.
Danke Voltaire für den Tipp zu deinen Juwel. :wink:

Liebe Grüsse
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Beitragvon Steffi » 06.02.2008, 08:44

Vielen Dank für die schöne Rezie ... ich wäre an dem Buch sicher auch vorbei gegangen. Steht schon auf dem Wunschzettel :D
Steffi
 

Beitragvon Nikito33 » 07.02.2008, 09:33

Danke für die schöne Rezi. Auch ich werde mir dieses Buch auf die Wunschlist setzen.

In der Buchhandlung hätte ich es sicher auf Grund des Covers in die Hände genommen und den Klappentext gelesen.
Nikito33
 

Beitragvon Wirbelwind » 07.02.2008, 21:28

So und jetzt habe ich es gelesen, das Buch von Biene und dem Kurt.
Eine schöne Geschichte mit Ironie verpackt, sonst würde sie nicht so leicht und locker rüber kommen, diese schöne, aber auch ernste und traurige Geschichte. Biene und Kurt auf den ersten Blick zwei Loser, aber eigentlich entdecken sie etwas sehr schönes, wertvolles - Freundschaft, Liebe, Vertrauen zueinander auch ohne Worte. Das macht sie frei und reich, wenn auch nur für ein paar Wochen. Nicht zu vergessen Biene lernt das Lachen wieder.Und wenn sie nicht geschnappt wurde, fährt sie noch heute mit dem glitzernden "Heartbreakin-Mobil" durch die Dörfer.
Von Voltaire glücklicherweise aus dem Raum der "Unbeachteten" gezogen.
***** ohne Zweifel. :!:

Liebe Grüsse
Wirbelwind

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Beitragvon GinFizz » 17.02.2008, 14:00

Die Konstellation von zwei völlig verschiedenen Menschen und Generationen, die wirklich nicht unterschiedlicher sein könnten, macht den Reiz dieses Buches aus.
Biene, 16, dem Jugendheim entflohen, mit einer Brille so dick wie Glasbausteine. Ein unscheinbares und stilles Mädchen, dessen Existenz wahrscheinlich nie so richtig wahrgenommen wird und Kurt, selbst ernannter Heartbreak-Elvis, nach eigenen Aussagen 39, übergewichtig, abgetakelt, versoffen, frustriert. Diese beiden Menschen würfelt das Schicksal zusammen und wir begleiten sie ein Stück ihres Weges, der am Ende für den einen in einer Tragödie, für den anderen in der Freiheit endet.

Die Beziehung zwischen den beiden ist nicht immer einfach und von Seiten Kurts auch nicht immer gewaltfrei. Während die Biene den Kurt quasi gleich von Beginn an adoptiert, braucht der Kurt doch einiges länger um zu begreifen, wie wichtig die Biene für ihn ist. Schön fand ich, dass der große Altersunterschied hier nie eine Rolle gespielt hat. Beide haben sich gar keine Gedanken darüber gemacht, ob sie zueinander passen oder nicht. Da haben sich einfach zwei Seelen gefunden, wie es so schön heißt.

Die Geschichte wirkt keinesfalls düster oder bedrohlich, was wohl dem ungewöhnlichen Schreibstil des Autors zu verdanken ist, der der Leser gekonnt und sicher durch die Klippen von Glück und Traurigkeit lotst und selbst in traurigen Momenten Heiterkeit im Leser zu wecken vermag.

Ein tolles Buch und eine tolle Sprache, die den Leser nicht unberührt lassen, ein bisschen die Sehnsucht wecken nach Freiheit, Mut und vielleicht auch nach Menschen, vor denen man sich nicht verstellen muss, die einen einfach so nehmen wie man ist.
GinFizz
 



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