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Treichel, Hans-Ulrich - Der Verlorene




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Treichel, Hans-Ulrich - Der Verlorene

Beitragvon tom » 11.05.2007, 17:04

ZUM BUCH:
Eine Familie hat es nach der Flucht aus dem Osten im deutschen Westen zu etwas gebracht. Doch das alltägliche Leben wird von nur einem Thema beherrscht: der Suche nach dem auf dem Treck verloren gegangenen Erstgeborenen, Arnold. Der jüngere Bruder und Ich-Erzähler des Romans erfaßt schnell, daß ihm nur eine Nebenrolle zugedacht ist. In seiner Vorstellung wird das, was die Eltern ersehnen, nämlich die Rückkehr des Verschwundenen, zum Alptraum. (unter Verwendung von Amazon)

ZUM AUTOR:
Hans-Ulrich Treichel wurde 1952 in Versmold/Westfalen geboren. Er ist Autor und Germanist.

MEINE MEINUNG:
Was der Autor hier beschreibt hat einen großen Teil der Nachkriegsgeneration beschäftigt: zunächst der Verlust selber einer nahe stehenden Person, dann aber die stetige Ausrichtung, ja, Fixierung auf dies Erlebte. Die Eltern vergessen auf der Suche nach ihrem „verloren gegangenen“ Sohn den, den sie „noch“ haben. Sie leben größtenteils rückwärtsgewandt mit den Wunden der Flucht und dem, menschlich verständlichen (wenn auch heute von uns zu relativierenden) Unwillen gegen die damaligen Feinde: die Russen. Der jugendliche Ich-Erzähler wird ab frühester Kindheit damit konfrontiert, zweiter zu sein, im Hintergrund zu stehen, nicht für sich, sondern höchstens als Ersatz seines Bruders anerkannt zu sein.
Diese sehr ernsten Themen werden manchmal auf eine flaksige, ironische Art erzählt, die mich persönlich bis jetzt etwas sprachlos lassen. Ja, natürlich gibt es Szenen, die schmunzeln lassen und sicherlich kann dieses ständige Vergleicht-Werden zu einem „Verlorenen“ ein Kind auch zum Neider, bzw. Hasser seines Bruders werden lassen – ohne Zweifel. Wahrscheinlich stimmen berechtigte Kritiken an der übertriebenen Bindung an eine verlorene Heimat etc. Nun lese ich – in dem Wikepedia Artikel über Treichel, dass „(Treichel) den Verlust des älteren Bruders auf der Flucht aus den Ostgebieten ... und die traumatischen Erlebnisse der Eltern, die sich auch auf seine Kindheit auswirkten, verarbeitete in dem Roman Der Verlorene“. Das gibt diesem Buch natürlich eine Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit, die ich nicht in Frage stellen kann und will. Eins wird wohl deutlich: der Krieg hinterlässt auch noch weit lang nach seinem „Ende“ seine Spuren und Wunden.
Auch in meiner Familie (Generation der Eltern und Großeltern) gibt es ähnliche Geschichten zu erzählen. Ich frage mich, wie wir diesen Problemen gegenüber eine mit-leidende Stellung einnehmen können. Dies ist selbstverständlich eine FRAGE an mich selbst, nicht eine zynische Aufforderung an leidvoll Betroffene.

:stern: :stern: :stern:/:stern:




Taschenbuch: 174 Seiten
Verlag: Suhrkamp; Auflage: 9., Aufl. (September 2004)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3518395610
ISBN-13: 978-3518395615
tom
 

von Anzeige » 11.05.2007, 17:04

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Beitragvon Krümel » 11.05.2007, 18:03

Mir war es anscheinend zu düster, denn das habe ich dazu notiert:

Ein düsteres Buch habe ich bislang noch nicht gelesen, und Treichel fördert diese Stimmung zu Beginn auch noch Beschreibungen von einem Schlachthof. Die angesprochenen Passagen, die die Beklemmungen ein wenig lockern sollen (lt. Heidenreich), habe ich zwar wahrgenommen, aber ein richtiges Schmunzeln entsteht dabei nicht. Dafür ist die Atmosphäre einfach zu trostlos.
Für die grauen Tage im Februar nicht gerade das geeignete Buch. Wobei ich die Qualität des Buches nicht bemängeln möchte, denn es ist empfehlenswert.


:stern: :stern: :stern:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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