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Trevor,William - Felicias Reise




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Trevor,William - Felicias Reise

Beitragvon mombour » 15.01.2011, 16:29

Felicias Reise

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In einem Dorf in Irland wird Felicias in ihrer ersten Liebesnacht geschwängert, der Mann, Johnny Lysaght, verschwindet aber nach England. Angeblich soll er in einer Rasenmäherfabrik arbeiten. Die schwangere Felicias reist nach England, um Johnny aufzuspüren, doch diese Reise führt nicht zum Ziel, eine Reise durchs Kneipen- und Obdachlosenmilieu, durch Industrieanlagen und auch eine heilige Missionssekte wird von Felicias' Reise berührt. Anstatt auf Johnny zu treffen, macht Felicias die Bekanntschaft des Kantinenbesitzers Mr. Hilditch, der immer mehr Einfluss auf Felicias' Suche gewinnt, dem es gelingt, immer tiefere Bande mit Felicias zu knüpfen. Mit Mr. Hilditch betritt das Böse den Roman, erst auf leichten Fußsohlen kaum wahrnehmbar, und dann, das ist die Raffinesse des Romans, wird es immer bedrohlicher für Felicias, obwohl der Leser immer noch nicht weiß, was dieser Mittvierziger mit der jungen Frau vorhat. Er schleicht sich in ihr Leben ein und der Leser fragt sich irgendwann, hoffentlich passiert Felicias nichts schlimmes. Trevor gelingt es in hervorragender Weise, den Leser im Ungewissen zu lassen. Es werden Andeutungen gemacht, der Leser wird auf falsche Fährten gelockt. Man bangt bis zum Schluss, immerhin hat Mr. Hilditch schon mit diversen Frauen ein böses Spiel getrieben.

Dieses Art des Unheimlichen in der Literatur ähnelt ein wenig einigen Romanen von Amélie Nothomb („Kosmetik des Bösen“, „Der Professor“), wobei ich aber mehr für Trevors Roman favorisiere. Amélie Nothomb unterhält gut, ist auch spannend, aber ich habe das Gefühl, eine einmalige Lektüre reicht. Bei William Trevor ist das anders. Hier ist einer, der handwerklich wirklich gut arbeitet. Wenn er von Felicias Reise erzählt, wirft er Rückblenden ein, und wir erfahren von ihrer Vorgeschichte, von ihrem Vater, der über Johnny Lysaght schimpft, weil dieser, so glaubt er zu wissen, heimlich zur britischen Armee gegangen ist, usw. Es ist typisch für Trevor, dass er sich in Romanen mit den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Iren und Briten auseinandersetzt. Welcher irischer Vater möchte da schon einen britischen Soldaten zum Schwiegersohn haben. Ich mag gute Milieuschilderungen. In diesem Buch haben mir Schilderungen aus der Welt Obdachloser sehr gefallen.

William Trevor hat geschrieben:In ihren Verstecken sinken die Leute von der Straße in einen Schlaf, der vom Alkohol herbeigeführt und von Verzweiflung aufgeschreckt wird, in Träume, die sie in das Leben zurückversetzen, das einmal ihres war. Die Bettelschilder noch neben sich und die Zigarettenstummel vom Bürgersteig griffbereit, liegen sie da, noch genug in der Flasche, um sich den Augenblick des Erwachens zu erleichtern. Hungrig und obdachlos lautet ihr Appell auf einem Stück Pappe, gedankenlos hingekritzelt, wobei einer vom anderen abgeschrieben hat: Nur das Geld zählt.


Man mag von Elke Heidenreichs ehemaliger Fernsehsendung „Lesen“ halten, was man mag, aber darin wurde William Trevors Erzählband „Tod des Professors“ besprochen. So bin ich auf diesen Autor gestoßen und bereue es nicht.

Liebe Grüße
mombour
Thomas Hardy: Herzen in Aufruhr
Fernando Pessoa: Buch der Unruhe
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