Als ich diesen Klassiker für eine Leserunde eingerichtet habe, stellte ich direkt fest, dass er ganz streng komponiert ist. Vier Akte mit jeweils elf bis zwölf Kapiteln. Ich habe nun die einzelnen Kapitel nicht weiterverfolgt, aber ich könnte mir sogar denken, dass Gontscharow auch inhaltlich an diesem Konzept festgehalten hat. Diese straffe Komposition liest man auf jedem Fall sehr gut heraus.
Im ersten Teil werden uns Oblomow und weitere Figuren vorgestellt. Gontscharow beschreibt zunächst ihr Äußeres, woraus man ihr Inneres ableiten kann. Selbstverständlich wird unser Protagonist ganz ausführlich vorgestellt, selbst seine Träume und Wünsche bleiben uns nicht verborgen.
Oblomow ist ein Nachfahre des russischen Landadels, seine Vorfahren haben einen ernormen Reichtum angewirtschaftet. (In der Mitte des 19. Jh´s als die ersten landwirtschaftlichen Maschinen, die ersten Anzeichen für den kommenden Fortschritt kamen, und dieser Landadel dahinschmolz, da er in alten Traditionen festgefahren war (Leibeigenschaft) und mit der “neuen Welt” nicht mithalten konnte.) Oblomows Vater tappte schon leise in diese Krise hinein, und Oblomow selber musste sie voll ausbaden. Denn unser Protagonist ist durch seine adlige Geburt so träge, dass er sich noch nicht einmal selber ankleiden kann, das Wort Arbeit ist ihm völlig fremd, ein Alptraum gar, am liebsten würde er den ganzen Tag im Bett liegen, von der Poesie träumen, von schönen Landschaften ohne große Abwechselung, nur ein stetiges Dahinfließen, und über das Leben sinnen.
Sein bester Freund Stolz ist fast das genaue Gegenteil von Oblomow. Ihm macht es Spaß die Welt zu erkunden, zu lernen, zu arbeiten und sein Geld zu vermehren.
Als Stolz seinen alten Freund in Petersburg besucht, ist er erschrocken! Oblomow liegt des Nachmittags immer noch im Bett, er hat einen ollen Schlafrock an, die ganze Wohnung ist verstaubt und verkommen, angelesene Bücher liegen wahllos herum, begonnen und nie beendet, und sein Äußeres lässt schwer zu wünschen übrig.
Und damit beginnt dann der zweite Teil, dass Stolz seinen Freund wieder auf die Beine bringen möchte, und ihn einer Bekannten vorstellt, die sich ein wenig um ihn kümmern soll. Es entwickelt sich eine wahre Romanze zwischen Olgar und Oblomow, die reiner und zärtlicher gar nicht sein kann.
Das Buch beschreibt den Wechsel einer Epoche zur nächsten, das alte romantische Russland und die beginnende Moderne. Oder den Wechsel von Romantik zum Realismus. All die Probleme, die sich damit einstellen, werden erläutert. Darüber hinaus ist dieses Werk ein hoch philosophisches und tiefenpsychologisches Werk.
Der letzte Akt geht unter die Haut, Gontscharow schreibt nicht nur über seine Figuren, sondern er findet einen direkten Zugang zum Leser und versetzt ihn in Erstaunen und tiefes Erkennen. Selten bin ich so bereichert worden von einem Buch. Oblomow ist mir ein treuer Freund geworden, den ich bestimmt beizeiten wieder zur Hand nehmen werde.
Anmerkung zur Ausgabe:
So gerne ich die Manesse-Bücher lese, da sie durch ihre Qualität in Material und vom Inhalt her absolut überzeugen, dieses Mal bin ich sehr enttäuscht worden! Das zu bemängelnde Konzept erwartet man vom Reclam-Verlag, aber nicht von diesen Luxus-Ausgaben, denn ohne eine starke Lesebrille ist dieses Buch kaum zu entziffern. Achtung Lupengefahr! 100 bis 200 Seiten mehr wäre wirklich ratsam gewesen
Bewertung:
Schwierigkeitsgrad: leicht