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Heidegger, Martin - Der Feldweg




Heidegger, Martin - Der Feldweg

Beitragvon mombour » 25.07.2011, 16:00

Martin Heidegger: Der Feldweg

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„Er läuft aus dem Hofgartentor zum Ehnried.“

So beginnt Martin Heideggers philosophische Erzählung „Der Feldweg“. Ein Text, der Ruhe ausstrahlt, die Natur in ihrer Einfachheit und innerer Stärke. Die Eiche wächst in fast zeitloser Langsamkeit. Nur die Turmuhr und der Glockenschlag, geschaffen von Menschen, versuchen die Zeit einzufangen. Das bedächtige Wachsen der Eiche steht außerhalb dieser Versuche, die Zeit an einem Konstrukt zu ketten. Nur der Wechsel der Jahreszeiten scheint der Natur ihr Zeitmesser zu sein, die Eiche selbst in zeitloser Bedächtigkeit diesen Zyklus an sich vorüberziehen lässt. In der Langsamkeit des Wachsens gründet sich das „was dauert und fruchtet“.

Hier kommt nun der Mensch ins Spiel.

„Was um den Weg sein Wesen hat, sammelt er ein, und trägt jedem, der auf ihm geht, das Seine zu.“


Spätestens jetzt wird man erkennen, das der Feldweg eine Metapher ist. Der Mensch wurzelt in der Erde und kann sich in die Weite des Himmels, der Ideen, öffnen. Heidegger erzählt von der Bank, die unter der Eiche steht, darauf eine junge Unbeholfenheit die Schrift eines großen Denkers zu entziffern versuchte, um die Rätsel des Daseins zu erfassenn. Wenn der suchende Mensch, der nach Lebensfragen giert, in eine Sackgasse gerät, dann hilft der Feldweg.

„Denn er geleitet den Fuß auf wendigem Pfad still durch die Weite des kargen Landes.“

Der Feldweg verkündet den Vorbeiziehenden „Das Einfache“, „spricht nur so lange, als Menschen da sind, die in seiner Luft geboren,...“ Der Feldweg braucht Höhrer, nicht aber Hörige, die schwerhörig im „Lärm der Apparate, die sie fast für die Stimme Gottes halten", untergehen, dieser Lärm der modernen Gesellschaft den Menschen „zerstreut und weglos“ macht. Heidegger plädiert für eine Welt, in der der Mensch nicht zum Opfer von Maschinen wird. – auf unsere gegenwärtige Zeit bezogen sind das Autos, Computer, Handys und allerlei anderes, was wir gerne gebrauchen, oder auch Lärm am Arbeitsplatz. Heidegger spricht aber auch von wenigen Menschen, die in der modernen Welt noch ein Ohr zum Inneren bewahrt haben.

„Der Zuspruch des Feldweges erweckt einen Sinn, der das Freie liebt und auch die Trübsal noch an der günstigen Stelle überspringt in eine letzte Heiterkeit.“

Heidegger lässt offen, woher dieser Zuspruch kommt: Seele, Welt, Gott? „Der Zuspruch macht heimisch“, heißt es.

Ein wunderbarer bedächtiger Text, der Ruhe auf den Leser ausstrahlt, sich erst mir auf eine vielleicht ganz persönliche Art erschlossen hat, nachdem ich mehrmals über diese sieben Buchseiten gewandelt bin. Für diesen Text unterwerfe sich der Leser die Langsamkeit einer wachsenden Eiche. Nur mit Langsamkeit können wir, so glaube ich, Früchte dieses herrlichen Textes erhaschen. Ein Text für die Stille der Nacht.

„Die Stille wird mit seinem letzten Schlag noch stiller.“


Grüße aus der Stille
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Re: Heidegger, Martin - Der Feldweg

Beitragvon Pippilotta » 25.07.2011, 16:21

Danke, @mombour, für diese schöne Vorstellung. Die Langsamkeit und die Ruhe überträgt sich sogar beim Lesen Deiner Zeilen! Und offenbar haben es diese paar Seiten in sich!
Herzliche Grüße
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Re: Heidegger, Martin - Der Feldweg

Beitragvon mombour » 25.07.2011, 16:26

Pippilotta hat geschrieben: Und offenbar haben es diese paar Seiten in sich!


Tja, es ist schon merkwürdig. Erst durch diese sieben Buchseiten, hat sich mein Interesse für meinen Namensvetter geweckt. :D
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