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Kawabata, Yasunari - Die schlafenden Schönen




Kawabata, Yasunari - Die schlafenden Schönen

Beitragvon mombour » 05.07.2010, 10:22

Hallo Leseratten,

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Ein Blick in die japanische Literatur lohnt sich. Erst Tanazaki und dann dies: Yasunari Kawabata: „Die schlafenden Schönen“. Wer die literarische Vorlage zu Gabriel Garcia Marquez' "Erinnerung an meine traurigen Huren" sucht, wird bei den schlafenden Schönen fündig. Bei Garcia Marquez verliebt sich in einem Bordell ein 90 jähriger Mann in einen schlafendes vierzehnjähriges Mädchen. Zum ersten Mal ist er so richtig verliebt, berührt das Mädchen aber nicht, schwebt dafür aber im siebten Himmel, als er wieder auf die Straße geht. In Kawabatas „Die schlafenden Schönen“ gehen Greise in ein Bordell, in dem sie sich neben schlafenden jungen Frauen (sehr jung, so zwischen 16 und 20 Jahre alt) legen, die in einem Tiefschlaf versetzt worden sind, aus dem sie des Nachts, wenn sich alte Männer zu ihnen ins Bett legen, niemals aufwachen, niemals bekommen sie mit, wer neben ihnen im Bett liegt. Im Bordell gibt es eine Regel: Die Mädchen dürfen nicht befleckt werden.

Wir erlesen uns fünf Nächte, die der siebenundsechzigjährige Eguchi dort verbringt. Er genießt den Anblick der schlafenden Schönen, lässt sich vom Duft der Frauen aufsaugen. Yasunari Kawabata versteht es außerordentlich gut, diese Mädchen sinnlich, aber nicht distanzlos zu umschreiben. Jedesmal verfällt Eguchi in eigene Gedanken.Er denkt an Frauen, die er gehabt hat, er denkt an seine Töchter und an die Frau, die er mal für wenige Nächte hatte. Das Leben passiert Revue, doch auch jede Nacht bei den Schlafenden ist eine Steigerung der Versuchung, die Mädchen zu verführen, ihnen ihre Unschuld zu nehmen, wo bei in diesem Text deutlich heraussticht, was für ein lächerlicher Anblick es ist, wenn alte Greise neben jungen Mädchen liegen und was für ein Verbrechen es wäre, sich wehrlosen Mädchen zu bebächtigen. Der Anblick auf die Wehrlosigkeit junger Frauen führt zu düsteren Phantasien, in seelische Abgründe. Ein Buch über das Alter, Frauen, Tod und Einsamkeit. Gerade durch diese tieferen Dimensionen hebt sich Kawebatas Roman von Garcia Marquez' traurigen Huren deutlich ab. Auch sprachlich überzeugt der Japaner. Der Kolumbianer schrieb nur ein verträumtes Märchen.

Yasunari Kawabata (1899-1972) erhielt 1968 den Literaturnobelpreis. Seine Novelle "Schneeland" (1937) galt kurz nach der Veröffentlichung schon als Klassiker.

:stern: :stern: :stern: :stern:

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von Anzeige » 05.07.2010, 10:22

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Re: Kawabata, Yasunari: Die schlafenden Schönen

Beitragvon Pippilotta » 05.07.2010, 11:02

Mit der japanischen Literatur hatte ich bisher kaum Berührungspunkte ... abgesehen von Murakami, den ich jetzt aber nicht unbedingt als "typisch japanisch" einordnen würde.
Da ich aber mit Garcia-Marquez auch nicht allzuviel anfangen kann ... weiß ich nicht, ob Kawabata die richtige Wahl wäre? ich glaub ich versuchs mal mit einer Banana Yoshimoto...
Herzliche Grüße
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Re: Kawabata, Yasunari: Die schlafenden Schönen

Beitragvon wolves » 05.07.2010, 13:21

Danke mombour für deine Rezi. "Schneeland" liegt noch auf meinem SuB, mal sehen wie dann mein Eindruck über dieses Buch werden wird.
Liebe Grüße
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Re: Kawabata, Yasunari: Die schlafenden Schönen

Beitragvon mombour » 05.07.2010, 14:17

Pippilotta hat geschrieben:Mit der japanischen Literatur hatte ich bisher kaum Berührungspunkte ... abgesehen von Murakami, den ich jetzt aber nicht unbedingt als "typisch japanisch" einordnen würde.
Da ich aber mit Garcia-Marquez auch nicht allzuviel anfangen kann ... weiß ich nicht, ob Kawabata die richtige Wahl wäre? ich glaub ich versuchs mal mit einer Banana Yoshimoto...


Hallo Pippilotta,

nur weil Garcia-Marquez eine Idee von Kawabata übernommen hat, kann man den Kolumbier und den Japaner trotzdem nicht allgemein vergleichen. Auch Murakami und Yoshimoto haben aus Ideen Kawabatas geschöpft. In einer Amazonrezension zu den schlafenden Schönen habe ich gelesen, dass in Yoshimotos "Dornröschenschlaf" das Haus der schlafenden Schönen in abgewandelter Form wieder auftaucht.


@ wolves: Ich habe eine alte Hanser-Ausgabe ausgewählter Werke. Darin enthalten: Die Tänzerin von Izu, Tausend Kraniche, Schneeland, Kyoto.

Sprachlich hat mich Kawabata überzeugt, sodass ich noch anderes von ihm werde. Als nächstes ist "Schneeland" an der Reihe.

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Re: Kawabata, Yasunari: Die schlafenden Schönen

Beitragvon wolves » 06.07.2010, 10:00

Wenn mich "Schneeland" überzeugen wird, dann liebäugel ich schon mit "Tausend Kraniche", aber erst mal überhaupt zu "Schneeland" kommen, denn (Achtung, jetzt kommt mein Lieblingsspruch :wink: ): sooooo viele interessante Bücher und so wenig Zeit....
Liebe Grüße
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