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Emmanuel Bove: Ein Junggeselle




Emmanuel Bove: Ein Junggeselle

Beitragvon mombour » 24.08.2012, 06:03

Hallo,

heute mal ein Franzose.

Emmanuel Bove: Der Junggeselle

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Emmanuel Bove hat über sich selbst sehr zurückhaltend geschwiegen. Er wird für immer eine Person ohne Geschichte bleiben, schrieb sein Biograf Raymond Cousse. Wir können froh sein, dass er doch nicht zu den ganz Vergessenen gehört, allerdings ist es schon bemerkenswert, dass Emmanuel Bove in Deutschland erst durch Peter Handkes Übersetzung des Romans „Meine Freunde“ im Jahre 1981 im deutschsprachigem Raum zu lesen war, inzwischen sein Werk, obwohl sich diverse Verlage um ihn bemüht haben, schon wieder im antiquarischen Zustand verharrt, weil das große Lesepublikum fehlt, Bove immer noch eine Randerscheinung unter den moderneren Klassikern ist.
Emmanuel Boves schmalen Romane handeln meist von skurilen Außenseitern und Neurotikern. Eine Figuren werden psychologisch lupenrein durchleuchtet, sodass die Gestalten hinter ihren gespielten Masken zum Vorschein kommen, und auch, wie in dem Roman „Der Junggeselle“, bloßgestellt werden.

Albert Guittard, ein sanfter Mensch, der allerdings wie ein verwöhntes Kind geringfügige Ereignisse aufbauschte „einen banalen Hausfriedensbruch“ als „eine willkommene Abwechslung in seinem eintönigen Leben“ hinstellte und dann sein aufbrausendes Verhalten wieder bereute. Er geht auf die fünfzig zu, hätte ein reicher Mann werden können, widmet sich aber gerne den Freuden der Liebe und den Künsten und ist ein Träumer, der ein „zartes Geschöpf“ heiraten will.Jetzt hat er es auf Mme Penner abgesehen.

Im ersten Teil des Romans wird ein Besuch Guittards bei Mme und M. Penner geschildert. Guittard sucht verzweifelt eine Gelegenheit, seine Liebe der Mme Penner zu eröffnen. Er bildet sich ein, die Mme wüsste nichts davon. Guittard kann den M., einen Oberst, nicht ausstehen. Das interessante an der Geschichte ist, wie sich die Menschen in dieser Szene hinter Masken verbergen. Sie erscheinen den anderen nicht so, wie sie sind. Albert Guittard erfährt von einer früheren Liebschaft des Oberst und glaubt einen Trumpf in der Hand zu haben, um Mme Penners Ehe zu zerstören, er ihr Liebhaber werden kann. Doch kommt alles anders. M. und Mme Penner überlisten Guittard, sodass sein Überlegenheits – und Selbstwertgefühl einen Knacks bekommt. Sie machen ihm was vor und spielen mit ihm. Die Ehe zwischen M. Und Mme scheint ungebrochen harmonisch. Die Betonung liegt auf Schein, denn noch sind alle Masken nicht gefallen.

Guittard ist ein sensibler Neurotiker, der in seinem angeknacksten Selbstbewusstsein sehr verunsichert ist. Das macht sich erstens dadurch bemerkbar, dass er Angst hat, sich lächerlich zu machen, zweitens dadurch, dass er unter dem Druck steht, sich die nächstbeste Frau zu nehmen. Klappt es nicht mit Clotilde Penner, dann wendet er sich eben jemand anders zu, hier die Brigitte Tierbach. Auf einer Gala trifft er Brigitte nicht gleich an, begegnet aber wieder Clotilde und macht sich neue Hoffnungen. Im gleichen Moment, wie er sich neue Hoffnungen macht, hat er Brigitte schon wieder vergessen. Guittards Neurose besteht aus dem Teufelskreis der Besessenheit nach dem weiblichen Geschlecht, aus der Unfähigkeit auch mal allein sein zu können. Mit dem besessenen Klammern an Frauen versucht er (unbewusst) seine Unsicherheit zu überdecken. Guittard ist auch nicht in der Lage, mit einer Frau wirklich anzubändeln. Er hat Angst, seine Liebe zu gestehen, die warscheinlich noch nicht mal Liebe ist, sondern dieses, was er Verliebtsein nennt, ist der bittere Versuch, aus der Einsamkeit seines Junggesellenlebens zu entfliehen. Er hat Angst, jemand bekomme mit, dass er in alle Frauen verliebt ist. Seine Qualträumereisymptomatik ist auch nur ein Symptom eingefleischter Einsamkeit:
„In seiner Vorstellung kam sie ohne Begleitung zur Gala, suchte unter all den geladenen Gästern vergeblich nach ihm, gab es schließlich auf, spazierte allein umher und kam dabei ausgerechnet auf diese Terrase. Ach! Was hätte er gegeben, wenn das Wirklichkeit wäre!

Mir hat es sehr gefallen, das Guittard nur diese Frau wirklich lieben wird, die von Beginn an sich ihm gegenüber ehrlich und offen gezeigt hat. Alle anderen haben ihm nur etwas vorgemacht, mit ihm gespielt, ihn bloßgestellt, haben sich nicht gezeigt, wie sie wirklich sind. Diesen anderen, einschließlich M. Penner, kann Guittard nicht helfen, als diese Leute wegen ihren Beziehungskrisen in arge Bedrängnis kommen. Jetzt will wirklich jeder etwas von ihm, Guittard kann aber unmöglich jedem alles recht machen. Der Schlusswendung des Romans ist sehr rasant geschrieben.

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

Liebe Grüße
mombour
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