Jörgen Hofmeester, Ende 50, wohlhabend, Vater zweier Töchter, Tirza und Ibi. Seine Frau hat die Familie vor 3 Jahren verlassen, um mit einem Jugendfreund auf ein Wohnboot zu ziehen. Der Vater kümmert sich fürsorglich, vorbildlich und rührend um seine Jüngste, Tirza ist sein ein und alles, Tirza ist sein Augenstern, seine Sonnenkönigin. Jeder Wunsch wird ihr von den Lippen abgelesen, der Weg geebnet, Komplikationen aus dem Weg geräumt. Nach außen hin ist Jörgen Hofmeester ein Bilderbuch-Vater und präsentiert sich auch dem Leser als solcher.
Im Zuge der Vorbereitungen zur Abiturparty seiner Tochter Tirza die Jörgen mit all seiner Pedanterie und Perfektionismus zu einem unvergesslichen Fest machen will und dem plötzlichen Erscheinen der Mutter der Kinder (die im Buch immer nur als „die Ehefrau“ bezeichnet wird), kommen die wahren Zustände und Verhältnisse ans Tageslicht und legen den wahren Charakter des Jörgen Hofmeester offen.
Die Ehefrau hat ihn verlassen, weil sie ihn nicht mehr aushielt, auf der Arbeit wurde er bei vollen Bezügen freigestellt, weil er unbrauchbar ist, für eine Entlassung aber zu alt. Mit Akribie baut sich Jörgen eine Scheinwelt auf, verlässt jeden Tag pünktlich – mit Aktentasche unterm Arm – das Haus, um seine „Arbeitszeit“ am Flughafen zu verbringen, kehrt zu „Dienstschluss“ wieder heim und kümmert sich um seinen einzigen (Über-)lebensgrund, seine Tochter Tirza. Ihr Vorhaben, nach dem Abitur auf Weltreise zu gehen, wirft ihn aus der Bahn.
In Rückblenden, Erinnerungen werden die 20 Jahre Ehe – vom Kennenlernen, über die Geburt der Töchter, den Bruch mit der älteren Tochter, bis zu seinen beruflichen (Miss-)Erfolgen mosaikartig zusammengebaut, Abgründe offengelegt, Zusammenhänge deutlich gemacht. Einzelne Hinweise, Andeutungen werden erst in den letzten Kapiteln des Buches erklärt, was den Leser in einen ungeheuren Sog versetzt, das Buch ist kaum aus der Hand zu legen.
Es ist ein ruhiges Buch, die Erzählung „plätschert“ dahin, ist aber in keiner Passage langweilig. Gefesselt und atemlos liest man über das Scheitern des Jörgen Hofmeester, sein Versagen in beruflicher, sexueller und zwischenmenschlicher Hinsicht, liest gebannt die Anfeindungen und Gehässigkeiten, die ihm seine Ehefrau vorwirft, erfährt die menschlichen Abgründe des Protagonisten mit all seinen Wahnvorstellungen und Neurosen, als würde man einen Reißverschluss langsam öffnen. Und am Ende? – Ja, damit hat wohl keiner gerechnet …..
Arnon Grünberg:
geb. 1971 in Amsterdam, lebt seit 1995 in New York. Er publiziert auch unter dem Pseudonym Marek van der Jagt. Mit seinen mit Preisen ausgezeichneten Romanen "Phantomschmerz" oder "Der Vogel ist krank" gelang ihm der internationale Durchbruch.
Genial aufgebaute Story, eines meiner Highlights 2010 und den „üblichen Verdächtigen“ ans Herz gelegt!